Stehaufmännchen: Noch eine Facility für den IWF?
Über der Welt hängt eine neue Finanzkrise, die in Wirklichkeit die alte ist (>>> Warum die Krise immer noch kein Ende findet), die USA und möglicherweise auch Europa stehen vor einem Rückfall in die Rezession, und die Befürchtungen werden stärker, dass das Arsenal der konventionellen Wirtschaftspolitik erschöpft sein könnte. Das schafft ein ideales Umfeld für ehemalige IWF-Direktoren, mit neuen Vorschlägen an die Öffentlichkeit zu treten, die das Gewicht des Fonds ein weiteres Mal stärken können. Nein, diesmal geht es nicht um Dominique Strauss-Kahn, dessen Vergewaltigungsverfahren in dieser Woche in New York eingestellt wurde, sondern um Hendrikus Johannes Witteveen. Letzterer war von 1973-1978 Geschäftsführender Direktor des IWF, also in jenem Jahrzehnt, als die Weichen für das gestellt wurden, was man später „neoliberale Offensive“ nannte.
„Unkonventionelle Probleme erfordern unkonventionelle Lösungen“, schreibt Witteveen in dieser Woche und unterbreitet den Vorschlag, der IWF möge eine neue Fazilität, eine „Schuldenfazilität“, schaffen. Diese solle nach dem Muster der in seiner Amtszeit kreierten Ölkrisenfazilität (1973) und Suplementary Facility (1977) konstruiert sein. Diese Facilities, also Kreditfenster, ermöglichen dem IWF, sich – über den Bestand der Sonderziehungsrechte hinaus – Finanzmittel zu beschaffen, die er dann an Krisenländer weiterverleihen kann. Im Grunde genommen leiht sich der IWF bei den Überschussländern Geld, das er dann – zu seinen Bedingungen, versteht sich – an Defizitländer weiterreicht. „Solch eine Fazilität würde es möglich machen, die hohen Zentralbankreserven Chinas, Japans oder des Mittleren Ostens anzuzapfen, neben denen Europas, beispielsweise Deutschlands“, schreibt Witteveen.
Die Vorteile? Witteveen geht davon aus, dass es für die Überschussländer attraktiver wäre, das Geld über den IWF zur Verfügung zu stellen als direkt. Denn die Rückzahlung der Schulden beim IWF hat gegenüber allen anderen Gläubigern stets Priorität. Und: Letztlich würde dies „große Länder wie Italien und Spanien unter die IWF-Konditionalität bringen“. Der IWF könnte also die Arbeit der Europäischen Zentralbank übernehmen; er wäre auch die geeignete Instanz, um auf eine „solide“ Haushaltspolitik der Länder zu drängen. – Der Vorschlag klingt nicht ganz dumm, denn er appelliert an die zahlreichen Kritiker der diversen Rettungspakete für die Länder an der Peripherie der Eurozone. Auf der anderen Seite könnte er die – aus der europäischen Rivalität mit den USA gespeisten – Bemühungen um einen Europäischen Währungsfonds (EWF) beflügeln. Dieser müsste dann aber ein deutlich anderes wirtschaftspolitisches und soziales Profil aufweisen als der gegenwärtige IWF. Bislang ist es freilich eher so, dass die Europäer in Berlin, Paris und Brüssel es darauf anlegen, den IWF in puncto Sparpolitik zu übertrumpfen.
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