G20-Gipfel verfehlt globalen Deal über Ungleichgewichte
Auf eine Vertagung des Streits über globale Ungleichgewichte und Wechselkurse in das nächste Jahr einigten sich die Vertreter der 20 wichtigsten Ökonomien in Seoul. Das geht aus den Abschlussdokumenten des Gipfels hervor (>>> G20-Gipfel in Seoul: Unsere aktuelle Dokumentation). Statt einer konkreten Übereinkunft wollen die G20 jetzt erst einmal Kriterien („indicative guidelines“) entwickeln, um Länder mit exzessiven externen Ungleichgewichten, also Länder mit untragbaren Leistungsbilanzüberschüssen und –defiziten zu identifizieren. Der IWF soll dafür bis Mitte 2011 eine Vorlage machen. Welche Konturen diese indikativen Leitlinien haben und wie sie in die Praxis umgesetzt werden sollen, wusste freilich keiner der TeilnehmerInnen der Gipfelrunde zu sagen. Immerhin bleibt das Thema so auf der Tagesordnung, und die jetzt folgende französische G20-Präsidentschaft hat somit viel Raum, um mit Ideen und Vorschlägen für ein neues globales Währungssystem zu glänzen.
Etwas konkreter wurde die G20 in Bezug auf drei andere Themen. Die Dokumente segnen die neuen Kapital- und Liquiditätsstandards des Baseler Bankenausschusses (>>> Regulierungslücken allenthalben) und die kürzlich vom IWF-Vorstand beschlossene Stimmrechts- und Governancereform (>>> Durchbruch oder Reförmchen?) ab und proklamieren einen neuen entwicklungspolitischen „Seoul Consensus“ (>>> Seoul Consensus statt Washington Consensus). Der Consensus stellt Wachstum und Infrastrukturinvestitionen als Schlüssel zu mehr Entwicklungserfolgen in den Mittelpunkt.
Unter NGOs ist der Consensus nach wie vor umstritten. Jörn Kalinski von Oxfam Deutschland zeigte sich "sehr zufrieden, dass die G20 das Thema Entwicklung nachdrücklich auf die Agenda gesetzt haben“, bemängelte aber, dass die G20 mit ihrem Aktionsplan „auf halben Weg stehengeblieben“ seien. Peter Wahl von WEED bezeichnete den Seoul Consensus als „PR-Manöver“, mit dem „alte Rezepte der Privatsektorförderung als Innovation verkauft (werden), während z.B. von der Verpflichtung von Gleneagles, die Entwicklungshilfe für Afrika bis 2010 auf 50 Mrd. Dollar zu verdoppeln, nichts mehr zu hören ist“.
Insgesamt produzierte der Gipfel mal wieder Unmengen an Papier, durch die man/frau sich erst einmal durcharbeiten muss – eine schöne Aufgabe für das Wochenende. Ungeachtet dessen kann aber schon jetzt festgehalten werden: „Vielleicht der einzige große Gewinner des Treffens war der IWF“, bemerkte heute Morgen die New Yok Times treffend. „Die G20-Führer ratifizierten die Veränderungen in der IWF-Governance…, stockten mehrere Kreditprogramme des IWF auf… und ermächtigten den Fonds, bei der Bearbeitung der Ungleichgewichte zu helfen.“
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