5. November 2010

Ungleichgewichte: Zurück in die Zukunft?

Der Chefkommentator der Financial Times, Martin Wolf, hat in seiner Kolumne in dieser Woche zwei Grafiken vorgestellt, die illustrieren, welche Länder die Konsequenzen des Geithner-Plans (>>> Ein Spaziergang nach Bretton Woods) am meisten treffen würden (s. Grafik). Der Plan sieht die Begrenzung der Leistungsbilanzdefizite und Überschüsse auf 4% des jeweiligen Bruttoinlandsprodukts vor und knüpft damit unmittelbar an die Vorstellungen von John Maynard Keynes auf der historischen Konferenz von Bretton Woods (1944) an. Er scheiterte damals an die USA, die sich als (damals noch) Überschussland keinen Anpassungsregeln unterwerfen wollten. Heute sind die USA im Lager der Defizitländer.


Die Grafik zeigt sehr anschaulich, dass die Länder mit „exzessiven Defiziten“ (über -4%) Spanien, die Türkei und Südafrika sind, die USA aber nicht in diese Kategorie fallen. Unter die Länder mit „exzessiven Überschüssen“ (mehr als +5%) fallen China, Russland, Deutschland und Saudi-Arabien. Hochgradig von Rohstoffexporten abhängige Länder wie Russland und Saudi-Arabien, würden nach Geithners Überlegungen aus der Anpassungspflicht herausfallen, so dass die größte Anpassungslast China und Deutschland zu tragen hätten. Interessant dabei ist, dass das relative Gewicht des Überschusses bei Deutschland noch einmal erheblich größer ist als bei China. In absoluten Zahlen gemessen ist der chinesische Überschuss jedoch größer als der deutsche, während die USA mit ihrem Defizit den Vogel abschießen.

Da der Geithner-Plan die Leistungsbilanzdefizite in den Mittelpunkt stellt, müssten Anpassungsmaßnahmen nicht notwendigerweise an den Wechselkursen ansetzen. Das „Rebalancing“ könnte auch bei der Stärkung der Binnennachfrage (im Falle der Überschussländer) oder bei ihrer Drosselung bzw. der Stärkung der Exporte (im Falle der Defizitländer) ansetzen. In Bezug auf die Stärkung der internen Nachfrage hat China in den letzten Jahren wesentlich mehr getan als Deutschland, wo man auf einen neuen Exportboom nach der Krise spekuliert hat. Da nimmt es nicht Wunder, dass sich der deutsche Wirtschaftsminister Brüderle mit orthodoxen Argumenten an die Spitze der Neinsager gesetzt hat. Ob die Chinesen dem folgen, wird man mit Sicherheit erst beim G20-Gipfel in der nächsten Woche wissen, wenngleich neueste Meldungen dies befürchten lassen. Die Lage wird sicher nicht einfacher durch die jetzt eingeleitete neue Runde der geldpolitischen Lockerung in der USA (QE2). Vor allem in den Schwellenländern verstärkt dies die Opposition gegenüber den USA, da zu Recht eine neue Welle billigen und heißen Geldes befürchtet wird, das mittels der Zinsdifferenzen schnelle Gewinne machen will („carry trade“).

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