10. November 2010

Chinas Weitsicht und Keynes Weisheit: Der G20 ins Stammbuch!

Als „golden opportunity“ für eine Reform des internationalen Währungssystems sieht der preisgekrönte Keynes-Biograph Robert Skidelsky die Situation am Vorabend des G20-Gipfels (>>> A golden opportunity for monetary reform). In seinen Kommentaren wies der emeritierte Professor der Warwick University und Mitglied des britischen Oberhauses in der letzten Zeit mehrfach darauf hin, dass es grob zwei Strategien gebe, um die aktuellen Leistungsungleichgewichte zu bekämpfen, die Schwächung des chinesischen Anreizes zur Bildung von Devisenreserven und die Lösung des Beschäftigungsprobleme innerhalb der Defizit- und Überschussländer. Skidelsky im Wortlaut:

Im April 2009 schlug Zhou Xiaochuan, Gouverneur der Chinesischen Volksbank, die Schaffung einer „übernationalen Reservewährung“ vor, um die „inhärenten Risiken“ einer kreditbasierten nationalen Reservewährung zu beseitigen. Diese neue Währung, die aus den Sonderziehungsrechten (SZR) entwickelt werden sollte, würde im Laufe der Zeit die nationalen Reservewährungen ersetzen.
Ein „Substitutionskonto“ beim IWF würde es den Ländern ermöglichen, ihre bestehenden Reserven in SZRs umzutauschen. Das Prinzip dahinter ist, dass eine kollektive Versicherung billiger und somit weniger deflationär wäre als eine Selbstversicherung. Chinas geringerer Appetit auf Reserven würde sich in einer Aufwertung seiner Währung und einer Verringerung seines Handelsüberschusses niederschlagen.
Dieser weitsichtige chinesische Vorschlag hat das Reißbrett nie verlassen. Stattdessen haben die USA intensiven Druck auf China ausgeübt, den Renminbi neu zu bewerten. Das Ergebnis ist ein Wortgefecht, das leicht zu etwas Schlimmerem werden könnte.
Die USA werfen China vor, seine Währung zu tief zu bewerten, während China die lockere US-Geldpolitik dafür verantwortlich macht, die Schwellenmärkte mit US-Dollar zu überschwemmen. Das US-Repräsentantenhaus hat einen Gesetzentwurf verabschiedet, der zuließe, dass Zölle auf Importe aus Ländern wie China erhoben werden, die ihre Währungen zu ihrem Vorteil manipulieren.
Unterdessen hat die Abwertung des Dollars in Erwartung einer weiteren quantitativen Lockerung dazu geführt, dass die ostasiatischen Banken ihren Dollar-Kauf verstärkt und Beschränkungen für Kapitalzuflüsse eingeführt haben, um eine Aufwertung ihrer Währungen zu verhindern. Während die asiatischen Länder versuchen, das Kapital draußen zu halten, bewegt sich der Westen in Richtung Protektionismus.
Wir können aus den Erfahrungen der 1930er Jahre lernen. Bei Flut werden alle Boote angehoben; bei Ebbe entbrennt ein hobbesscher Krieg – jeder gegen jeden.
Dies führt uns zurück zu der vorzeitigen Zurücknahme der Konjunkturmaßnahmen. Da die Gesamtnachfrage in Europa und den USA geschwächt ist, wenden sich die Regierungen selbstverständlich den Exportmärkten zu, um die Arbeitslosigkeit im eigenen Land zu verringern. Doch können nicht alle Länder gleichzeitig Handelsüberschüsse erwirtschaften. Der Versuch, dies zu erreichen, muss zwangsläufig zu einer konkurrierenden Währungsabwertung und zu Protektionismus führen.
Schon Keynes bemerkte weise: „Wenn die Nationen lernen könnten, durch ihre Innenpolitik Vollbeschäftigung herbeizuführen … gäbe es keinen dringlichen Grund mehr, warum ein Land einem anderen Waren aufzwingen oder die Angebote seines Nachbarn zurückweisen müsste.“ Der zwischenstaatliche Handel „wäre nicht mehr das, was er derzeit ist, nämlich ein verzweifeltes Hilfsmittel, um die Beschäftigung im Inland aufrechtzuerhalten, indem ausländischen Märkten der Kauf von Waren aufgezwungen und die eigenen Käufe eingeschränkt werden.“ Stattdessen führte er zu „einem freiwilligen und ungehinderten Austausch von Waren und Dienstleistungen, unter beiderseitig vorteilhaften Bedingungen.“
Mit anderen Worten: Der heutige Aufruhr über Währungen und Handel ist ein direktes Resultat unseres Versagens, unsere Beschäftigungsprobleme zu lösen.

Den G20 sei’s ins Stammbuch geschrieben!

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