DAC-Vorsitzender warnt vor westlicher Überheblichkeit
Das Motto des Entwicklungspolitischen Forums der Heinrich-Böll-Stiftung („Weiterdenken!“) in dieser Woche, schien dem Vorsitzenden des Entwicklungshilfe-Ausschusses (DAC) der OECD, Eckhard Deutscher, nicht weit genug zu gehen. „Wir müssen weiterdenken. Wir müssen gegen den Strich denken, wir müssen querdenken“, rief er den über 300 TeilnehmerInnen in Berlin zu. Die zentrale Herausforderung für die Entwicklungspolitik sieht Deutscher im Aufstieg eines „neuen Kapitalismus“ im Süden des Globus. Dieser sei die Alternative zur „alten Selbstherrlichkeit des Westens“, warnte er. Wenn es der traditionellen Entwicklungspolitik nicht gelänge, mit ihren Lebenslügen Schluss zu machen, „stehen wir bald ziemlich alleine da“.
Eine dieser Lebenslügen sieht Deutscher in dem Glauben, es gäbe Möglichkeiten zur Renationalisierung der Globalpolitik. Das von der deutschen Entwicklungspolitik praktizierte „Anteilssystem“ (zwei Drittel der Ausgaben für bilaterale Leistungen, aber höchstens ein Drittel für multilaterale Organisationen) müsse deshalb schleunigst aufgegeben werden, forderte Deutscher. Überhaupt hätten die Europäer den größten Reformbedarf in der internationalen Zusammenarbeit. Warum beispielsweise gebe es bis heute keine Europäische Entwicklungsbank, wie sie seit langem gefordert wird?
Die Glaubwürdigkeit der westlichen Position in der Entwicklungspolitik werde heute nicht nur durch die enorme Süd-Süd-Dynamik der letzten Jahre herausgefordert. Sie hänge auch daran, ob die eigenen Zusagen gegenüber dem Süden eingehalten werden. Das alte Ziel, 0,7% des Bruttonationaleinkommens für öffentliche Entwicklungshilfe zur Verfügung zu stellen, müsse deshalb unbedingt realisiert werden. Niemand im Süden nehme uns sonst mehr ernst. Eindringlich warnte Deutscher auch davor, sich jetzt klammheimlich aus den Millennium-Entwicklungszielen „hinauszustehlen“. Der DAC-Vorsitzende plädierte in diesem Zusammenhang nicht zuletzt dafür, die neuen Anforderungen der Finanzierung von Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel strikt von der „alten“ Entwicklungsfinanzierung zu trennen (solange es noch so viel Armut auf der Welt gibt).
Deutscher spießte noch andere Missstände auf, die die „entwicklungspolitische Gemeinde“ kennzeichnen: die verquaste Ingroup-Sprache etwa, aber auch die hochgradige Ritualisierung der Arbeit in den multilateralen Institutionen und – nicht zuletzt – die blasse Visionslosigkeit in den Führungsetagen – nicht zuletzt auch im deutschen BMZ. Alles in allem ein überzeugendes Plädoyer dafür, die Finger in die eigenen Wunden zu legen statt auf andere zu zeigen, „die Chinesen“, „die Inder“ oder wen auch immer, die es wagen, die Monopolansprüche der alten Welt in Frage zu stellen.
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