Wachstumswelt: Statistische Erholung, aber menschliche Rezession
Eine der wenigen bemerkenswerten Erkenntnisse, die auf dem Davoser Weltwirtschaftsforum in der letzten Woche vorgetragen wurden, war die Feststellung von Lawrence Summers, dem wirtschaftspolitischen Chefberater von Präsident Obama, man habe es mit einer „statistischen Erholung“, aber mit einer „menschlichen Rezession“ zu tun, zumindest in den USA. Summers verwies u.a. darauf, dass in den USA heute einer von fünf Männern im Alter von 25-54 Jahren arbeitslos ist. Das ist ein Arbeitslosensatz von 20% in dieser Altersgruppe – im Gegensatz zu 5% in der Mitte der 1960er Jahre (>>> Transkript).
Was für die USA gilt, trifft in vielen Ländern des Südens erst Recht zu. Vielerorts steht heute, im Gefolge der globalen Krise, schon fest, dass die Millenium-Entwicklungsziele selbst im Falle der denkbar besten Szenarien nicht mehr erreicht werden können. Angesichts der im globalen Süden wieder um sich greifenden Verarmung und sozialen Verunsicherung in der Krise sind auch dort der Ausbau sozialer Sicherungssysteme und ein Neuansatz in der Armutsbekämpfung unverzichtbar. Das ist das Thema des gerade erschienenen W&E-Hintergrunds Februar 2010 (s. Abbildung), dessen AutorInnen an Hand unterschiedlicher Beispiele und auf unterschiedlichen Ebenen erläutern: Soziale Sicherung und Armutsbekämpfung sind umso erfolgreicher, wenn sie nicht nach dem Add-on-Prinzip auf bestehende Politiken aufgepfropft oder als Ersatz für die im Zuge von Deregulierung reduzierten staatlichen Sozialleistungen konzipiert werden, sondern integraler Bestandteil einer nachhaltigen Wirtschafts- und Entwicklungsstrategie sind.
Diese Orientierung steht auch hinter dem soeben erschienenen UN-Bericht über die soziale Entwicklung der Welt, der in diesem Jahr den Schwerpunkt „Rethingking Poverty“ hat. Und sie leitete auch die Fragestellungen eines Seminars des UN-Forschungsinstituts für soziale Entwicklung (UNRISD) im letzten November in Genf, dessen zusammenfassender Bericht mit den dort vorgelegten Papieren jetzt verfügbar ist. Natürlich gibt es nicht nur soziale, sondern auch ökologischen Schranken der reinen Wachstumswelt. Diese thematisiert die neueste Forschungsarbeit der Londoner New Economics Foundation (>>> Growth isn’t Possible. Why rich countries need a new economic direction). Viel Stoff zum Lesen, mal wieder.
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