Pittsburgh: Top-Thema Globale Ungleichgewichte
„Rebalancing growth“ heißt das Zauberwort, unter dem in Pittsburgh erstmals ernsthaft über den Abbau der globalen Ungleichgewichte geredet werden soll, die viele Ökonomen zu den Hauptursachen der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise zählen. Dahinter steht das Problem, dass einige Länder (wie China, Deutschland, Japan und die Ölstaaten) aus unterschiedlichen Gründen hohe Außenhandels- und Zahlungsbilanzüberschüsse angehäuft haben, denen vor allem in den USA große Defizite gegenüber stehen. Die Linie vorgegeben hat ein Brief des obersten G20-Beraters von US-Präsident Obama, Michael Froman, an die G20-Partner, in dem ein „Framework for Sustainable and Balanced Growth“ vorgeschlagen wird, das in Pittsburgh verabschiedet werden soll.
„Das Framework“, so heißt es in dem Brief, den W&E heute auf seiner Website veröffentlicht, „würde ein Bekenntnis der G20-Führer sein, einzeln und gemeinsam eine Politik zu verfolgen, die zu einem stärkeren, besser ausgeglichenen globalen Wachstum führen würde. Dies könnte eine konkrete Demonstration unserer Unterstützung der Werte sein, die im Entwurf der Charta für nachhaltige Wirtschaftsaktivität verankert sind.“
Ironischerweise verknüpft der US-Anlauf die Initiative zur Reduzierung der globalen Ungleichgewichte direkt mit der Nachhaltigkeitscharta, die ebenfalls in Pittsburgh verabschiedet werden soll und die ein Lieblingskind der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel ist. Merkel wird sich in Pittsburgh anhören müssen, dass der traditionelle deutsche Handelsbilanzüberschuss, der im Jahre 2008 bei 103,6 Mrd. € lag und auch im ersten Halbjahr 2009 noch 57,7 Mrd. € ausmachte, nur auf Kosten anderer G20-Partner erzielt werden kann und dass Berlin mehr für die Belebung der deutschen Binnenwirtschaft tun muss – ein heikles Thema für die deutschen Politiker, sehen diese doch bereits wieder eines ihrer obersten Ziele in der Rückeroberung des Exportweltmeister-Titels, der kürzlich an China verloren ging.
Wer jetzt allerdings glauben sollte, erstmals würde ein Mechanismus in Gang gesetzt, mit dem künftig auch Überschussländer sanktioniert werden können, sieht sich getäuscht. Ein beim IWF geplanter Peer-Review-Mechanismus, der die diesbezügliche Politik der einzelnen Mitgliedsländer beobachten soll, dürfte bestenfalls moralischen Wert haben. Denn das „Rebalancing“ soll durch freiwillige Koordination der Wirtschaftspolitik erfolgen. Es könnte freilich auch sein, dass die Initiative dasselbe Schicksal erleidet wie die sog. Multilaterale Surveillance vor zwei Jahren. Diese trug von Anfang den Stempel des „China-Bashings“ und verlief sich nach kurzer Zeit im Sande. Auch heute befürchten die Chinesen wieder, dass es sich um nichts anderes als einen Vorwand für neuen Protektionismus handelt.
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