25. Februar 2007

G8-Alternativkongreß in Rostock, G8 Shadow Meeting in New York

Langsam nehmen die Vorbereitungen der Zivilgesellschaft auf den G8-Gipfel in Heiligendamm Konturen an. Seit letzter Woche kursiert ein Aufruf zu einem G8-Alternativkongreß, der vom 5.-7. Juni - parallel zum offiziellen Gipfel - in Rostock stattfinden soll. Der breit getragene Aufruf (Initiatoren sind NGOs von Attac über die IG Metall, Pro Asyl, die Heinrich-Böll- und die Rosa-Luxemburg-Stiftung, IPPNW und die Erlaßjahrkampagne bis zu Greenpeace, Misereror und dem Evangelischen Entwicklungsdienst) stellt die Frage nach globaler Gerechtigkeit in den Mittelpunkt. Aus dem Ausland sind Via Campesina, Friends of the Earth Europe, Action Aid und Focus on the Global South dabei. Der Kongreß soll prominenten Globalisierungskritikern eine Plattform bieten, aber auch der Selbstverständigung dienen. Gruppen und Netzwerke können bis zum 13. April Workshops anmelden.

Unterdessen hat schon am 9. Februar ein "G8 Shadow Meeting" unter Vorsitz des Nobelpreisträgers Joseph Stiglitz in New York getagt. Die von der Initiative for Policy Dialogue, Erlaßjahr und der Friedrich-Ebert-Stiftung getragene Gruppe, zu der auch der ehemalige kanadische Premierminister Paul Martin und der UN Unter-Generalsekratär Antonio Ocampo gehören, wollen bis zu einer Konferenz Anfang Juni in Berlin einen Bericht vorlegen, der eine Alternative zur offiziellen Agenda entwickelt. Konturen des Berichts wurden bereits in einer Reihe von Papieren deutlich, die zu dem New Yorker Treffen vorbereitet wurden. Der Bericht soll sich auf die drängensten Fragen einer Global Governance-Reform konzentrieren.

21. Februar 2007

EU-Klimapolitik: Etappensieg oder Doppelstandard?

Überaus euphorisch hat die Nord-Süd-Initiative Germanwatch die gestrigen Beschlüsse der EU-Umweltminister begrüßt, wonach sich die Union verpflichten soll, ihre Treibhausgasemissionen bis 2020 um mindestens 20% gegenüber 1990 zu reduzieren. Wenn andere Industrieländer in den internationalen Verhandlungen über ein neues Klima-Abkommen zu ähnlichen Schritten bereit sein sollten, würde die EU sich zu einer noch größeren Reduktion von 30% verpflichten. Von einem klimapolitischen Etappensieg und vom Mut der EU, "ihre Filzpantoffeln gegen Meilenstiefel auszutauschen," sprach GW-Geschäftsführer Christoph Bals. Dem deutschen Verhandlungsführer Sigmar Gabriel attestierte er "ein Meisterstück".

Wesentlich kritischer kommentierte allerdings Friends of the Earth Europe die Beschlüsse. Die EU sei mit dem gesplitteten Ziel dabei, sich auf "doppelte Standards" zuzubewegen. Sie müsse ihr Reduktionsziel eindeutig auf 30% festlegen. 20% stünden in direktem Gegensatz zu den inzwischen unumstrittenen wissenschaftlichen Erkenntnissen.

Bei den Verhandlungen gelang es trotz des heftigen Widerstands einer Reihe von Mitgliedsstaaten der EU - allen voran Finnland, Ungarn und Polen - eine Einigung für die Vorschläge der EU-Kommission zu erzielen. Nur Schweden und Dänemark plädierten für ein unilaterales Reduktionsziel von 30%. - Die Entscheidung der Umweltminister ist eine wichtige Grundlage für den EU-Gipfel am 8. und 9. März in Brüssel. Diese entscheiden über das gesamte Klima- und Energiepaket der EU. Friends of the Earth will dann außerhalb des Gipfels mit einer gigantischen Transparentinstallation (s. Banner) für eine wirklich nachhaltige Klimaschutz-Politik der EU werben.

20. Februar 2007

Illegitime Schulden auf der G8-Agenda?


Mit der Forderung nach einer Streichung der illegitimen Schulden der Entwicklungsländer bei den G8-Staaten ziehen morgen AktivistInnen des Bündnisses Erlaßjahr.de vor das Bundeskanzleramt in Berlin. Über 100 Organisationen haben diese Forderung mit Logo unterzeichnet. Im einzelnen wird Bundeskanzlerin Merkel aufgefordert, eine Diskussion über die Legitimität von Schulden auf die Tagesordnung des G8-Gipfels in Heiligendamm zu setzen und die inhaltliche Diskussion auf internationalen Foren wie den G7-Finanzministern, der G20 und dem UNO-Prozeß "Financing for Development" voran zu treiben. Auch Deutschlands eigene Forderungen an die Länder des Südens sollen nach dem norwegischen Vorbild überprüft werden. Eine Eurodad-Studie hatte kürzlich enthüllt, daß alle G8-Länder "Leichen" dieser Art im Keller haben.

13. Februar 2007

EU-Verfassung: Europa braucht ein neues großes Projekt

Die ehemalige EU-Kommissarin Michaele Schreyer schlägt in einer Studie zum EU-Verfassungsvertrag (Zur Zukunft des Verfassungsvertrages Positionen und Vorschläge der Grünen und anderer europapolitischer Akteure), die die Heinrich-Böll-Stiftung in Auftrag gegeben hatte, vor, den vorliegenden Text in ein Verfassungsdokument im engeren Sinn sowie einen "Politikvertrag" zu den konkreten Handlungsfeldern der Union aufzuteilen. Außerdem soll der Verfassungsvertrag um ergänzende Gemeinschaftsinitiativen wie die Einführung sozialer Mindeststandards und eine "Europäische Gemeinschaft für erneuerbare Energien" ergänzt werden. Diese flankierenden Initiativen in zentralen, die Bevölkerung direkt berührenden Politikfeldern sollen die Akzeptanz des Verfassungsvertrags bei den Bürgerinnen und Bürgern erhöhen. Außerdem könnte die Legitimation des neuen Verfassungsvertrags auch durch ein europaweites "bestätigendes Referendum" als Endpunkt dieses Prozesses verbessert werden.

Die Studie spricht sich gegen eine komplette Neuverhandlung des Vertrages sowie gegen einen "Mini-Vertrag" aus, der nur einen Teil der Reformen für die EU umsetzen würde und formuliert konkrete Handlungsvorschläge für die EU-Präsidentschaft der Bundesregierung kurz vor den entscheidenden Verhandlungsrunden zur Zukunft des Verfassungsvertrags.

G7-Nachlese: Gelungener Auftakt zur deutschen Präsidentschaft?

Hoffen wir einmal, daß dies nicht symptomatisch für die deutschen Gipfelvorbereitungen überhaupt ist: Als einzige deutsche NGO publizierte das Siegburger Südwind-Institut für Ökonomie und Ökumene eine Einschätzung der Ergebnisse des Finanzminister-Treffens in Essen. Auf dem Treffen wurde die Chance vertan, Weichen für eine entwicklungspolitisch erfolgreiche deutsche G8-Präsidentschaft zu stellen, schreibt das Institut treffend in einer Pressemitteilung. »Von dem Treffen gingen keinerlei Impulse dafür aus, bei den Reformen des Internationalen Währungsfonds sowie bei den Verhandlungen innerhalb der Welthandelsorganisation die Interessen der Armen in den Mittelpunkt zu stellen«, so Südwind-Mitarbeiter Friedel Hütz-Adams.

Aber auch dem währungspolitischen Teil des Treffens war offensichtlich nicht der Erfolg beschieden, den die Mainstream-Medien noch am Montag ausmachten. Heute jedenfalls sind die Wirtschaftsseiten voll über den weiter fallenden Yen. Fast einhellig wird dies als Ergebnis des G7-Kommuniqués vom Wochenende interpretiert. Dort war die chinesische Währung zwar hart gegeiselt, die schwächelnde japanische aber mit keinem Wort erwähnt worden. So "bestrafen die Märkte" wenigstens auch mal die Doppelmoral.

10. Februar 2007

G7-Treffen in Essen: Scheindebatten und enttäuschte NGOs


Zum Treffen der G7-Finanzminister und Notenbankpräsidenten am 9./10. Februar in Essen haben internationale NGOs ihre Sprache verschärft und den Druck auf die deutsche G8-Präsidentschaft deutlich erhöht. In Studien und Briefing-Papieren wiesen DATA, ActionAid und Eurodad auf die Defizite der G7-Staaten bei der Umsetzung der Versprechen des Gipfels von Gleaneagles im Jahre 2005 hin. ActionAid warnte die G8 vor einem moralischen Fiasko, während DATA schon vorab das Schweigen der G7 zur Afrika-Hilfe bemängelte. Unübersehbar ist, wie das anfängliche Wohlwollen gegenüber der deutschen Präsidentschaft (als Merkel Afrika einen gleichrangigen Stellenwert auf der deutschen G8-Agenda einräumte) langsam einer deutlichen Ernüchterung Platz macht. ActionAid spricht von mangelnder Kohärenz der deutschen G8-Politik - eine noch vergleichweise milde Bezeichnung für den Versuch, das Steuer des in Gleneagles eingeschlagenen Kurses herumzureißen.

Deutlich belegt das Kommuniqué des Essener G7-Treffens, wie die Afrika-Hilfe zunehmend in die Hände der Privatwirtschaft gelegt werden soll, etwa durch die Entwicklung der afrikanischen Bond-Märkte. Bemerkenswert ist auch die Unterstützung der G7 für eine "Charta der verantwortlichen Kreditvergabe" - eine Idee der Weltbank zur Wiedergewinnung ihres Monopols auf den Weltkreditmärkten gegenüber den "neuen Gebern", darunter China (>>> W&E 02/2007). Gegenüber China haben die G7 ihre Sprachregelung übrigens verschärft, um das Land zur "notwendigen Anpassung" seines Wechselkurses zu bewegen. Möglicherweise fruchtet der sog. G8+5-Prozeß, der in Essen mit der Teilnahme der Finanzminister aus Rußland, China, Brasilien, Indien, Mexiko und Südafrika begonnen wurde, doch nicht so auf Anhieb.

Das von deutscher Seite lancierte Thema der "Kontrolle" der Hedgefonds ("Heuschrecken") trägt demgegenüber alle Züge einer G7-üblichen Scheindiskussion. Das Essener Kommuniqué verzeichnet hier lediglich eine Einigung über den Auftakt eines Prozesses, wie das Thema künftig diskutiert werden soll. Die US-Position hat derweil schon einmal der Kolumnist der konservativen Washington Post, Sebastian Mallaby, in einem Artikel für Foreign Affairs klargestellt: "Hands Off Hedge Funds".

8. Februar 2007

Neue Geber sorgen für Aufregung

Die "neuen Geber" sind in aller Munde, ob am Rande des jüngsten Afrika-Besuchs des chinesischen Präsidenten Hu Jintao, ob auf dem G7-Finanzministertreffen in Essen an diesem Wochenende oder in den diversen Zirkeln der "Development Community". Und so auch in der Februar-Ausgabe des Informationsbriefs Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E 02/2007). Dort analysiert Gail Hurlay vom Netzwerk zu Schulden und Entwicklung (EURODAD) in Brüssel die Aufregung der Weltbank mit der Geberkonkurrenz aus den "Emerging Economies". Ihr Ergebnis: Im wesentlichen sorgt sich die Bank um ihr eigenes Gebermonopol. Bernd Ludermann beleuchtet den Zielkonflikt der deutschen Entwicklungspolitik zwischen Armutsbekämpfung und Einflußnahme auf die neuen Geber aus dem Süden.

In die Sorge um eine neue, "verantwortungslose" Verschuldungswelle mischt sich viel Heuchelei. Das wird auch in der privaten Geschäftswelt so gesehen. So schrieb der Vorsitzende von Intelligence Capital in London, Avinash Persaud, dieser Tage, wenn jetzt so viel von Korruption die Rede ist, dann solle man sich mal ansehen, welche Praktiken Konzerne wie Britsh Aerospace oder Siemens bei der Aquisition von Großaufträgen in Afrika an den Tag legen. Und:

"Ich habe keinen Zweifel, daß China in Afrika ein gutes Geschäft macht. Aber die beste Garantie dafür, daß auch die Afrikaner gute Geschäfte machen, besteht nicht in von außen gesetzten Standards, sondern darin, daß sie eine Wahl zwischen verschiedenen Gebern und Investoren haben. Ich habe aus erster Hand beobachtet, welche Vorteile Konkurrenz bei der Finanzierung von Infrastrukturprojekten in aufstrebenden Ökonomien mit sich bringt.
Um ein berühmtes Zitat der Britischen Ökonomin Joan Robinson zu variieren: Schlimmer ist als von vielen Multis ausgebeutet zu werden, ist es, nur von einem ausgebeutet zu werden."

5. Februar 2007

IWF-Goldverkauf: Ökonomisch logisch - doch weder ökonomisch noch moralisch korrekt

Eine jener hochrangigen Kommission, die in der Regel eingesetzt werden, um ohnehin im Raum stehenden Vorschlägen zusätzliches Gewicht zu verleihen, hat dem Internationalen Währungsfonds (IWF) geraten, Gold im Wert von 6,6 Mrd. US-Dollar zu verkaufen und den Erlös in profitable Investmentfonds zu stecken, um seine Finanzierung auf eine solidere Basis zu stellen. Diese erfolgte bislang im wesentlichen aus den Zinszahlungen der Schuldner des Fonds, die ihm jetzt aber mehr und mehr abhanden kommen. Zu den noblen Ratgebern gehören so bekannte Sparapostel wie der ehemalige Präsident der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), Andrew Crockett (Vorsitzender), und der Präsident der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet.

Sony Kapoor, der den internationalen Schuldenerlaß-Kampagnen vor ein paar Jahren nahegelegt hat, das Gleiche zu fordern, um den Erlaß der multilateralen Schulden für die ärmsten Länder zu finanzieren, weist heute in einem Leserbrief an die Financial Times darauf hin, daß die zentrale Forderung des Crockett-Berichts zweifellos von derselben unbestechlichen ökonomischen Logik ist wie seinerzeit die Forderungen der NGOs. Die Verwendung von knappen internationalen öffentlichen Ressourcen für die Finanzierung des "Bail-outs" einer internationalen Organisation, die zwar immer weniger Akzeptanz aufweist, dafür aber gerade einen teuren neuen Palast bezogen hat (s. oben), sei jedoch weder ökonomisch noch moralisch zu rechtfertigen. - Es gibt eine einfache Strukturanpassungsmaßnahme, die der IWF anwenden könnte, um seine akuten Finanzprobleme zu lösen: Er könnte gut und gerne die Hälfte seiner sog. Wirtschaftsspezialisten nach Hause schicken, die in der Vergangenheit mit ihren Ratschlägen in den armen Ländern doch nur Unheil angerichtet haben.

4. Februar 2007

Das Klimaregime in der Global Governance

In internationalen Verhandlungen und in der Öffentlichkeit firmiert der Klimawandel als die größte globale Herausforderung des 21. Jahrhunderts. Die Nationalstaaten alleine können die damit zusammenhängenden Aufgaben nicht bewältigen. Deshalb sind in einem komplexen Mehrebenensystem auch andere Akteure aus der Wissenschaft und der Zivilgesellschaft, wie NGOs, Gewerkschaften und vor allem der Privatsektor, gefordert. Doch Schlüsselfragen wie die demokratische und faire Partizipation, oder die sozio-ökonomische Neugestaltung der Energiesystem werden kaum diskutiert. Mit diesen und anderen "Blindstellen" der vorherrschenden, technologisch und ökonomisch dominierten Klimapolitik will sich jetzt eine internationale Konferenz des BMBF-Projekts Global Governance und Klimawandel in Kooperation mit der Heinrich-Böll-Stiftung befassen. Unter den Referentinnen sind: Patrick Bond (Durban), Elmar Altvater (Berlin), Harald Schumann (Berlin) und Nicola Bullard (Bangkok)

1. Februar 2007

Bundestagsparteien zur Entwicklungspolitik während der Doppelpräsidentschaft

Deutschland soll während seiner G8- und EU-Präsidentschaft ein besonderes Augenmerk auf die Entwicklungspolitik richten. In diesem Sinne fordern die Koalitionsfraktionen und die Fraktion der Grünen in getrennten Anträgen (16/4160, 16/4151) die Bundesregierung auf, die Chance zu nutzen und neue entwicklungspolitische Impulse auf der internationalen Bühne zu setzen. So soll sich Deutschland nach Ansicht der Union und der Sozialdemokraten als "Partner für ein starkes Afrika" präsentieren und seinen Einfluß geltend machen, um die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zu einem wirkungsvollen Abschluß zu bringen und den Entwicklungsländern gerechte Handelschancen einzuräumen. In ihrem Forderungskatalog verlangen Union und Sozialdemokraten unter anderem einen fairen Interessenausgleich zwischen dem Schutz geistigen Eigentums und dem Zugang zu neuen Technologien und Produkten, den Ausbau von präventiven Maßnahmen gegen die Ausbreitung von HIV/Aids in Afrika und intensive Kontakte auf hoher politischer Ebene mit afrikanischen Ländern. Zu den Schwerpunkten der Entwicklungspolitik sollten auch das Thema Energie und Klimaschutz gehören.

Der Klimaschutz steht auch im Mittelpunkt des Antrags der Grünen. Sie fordern die Bundesregierung auf, die G8-Präsidentschaft zu nutzen, um den Kampf gegen die Klimaveränderung zum Kernthema zu machen und alle G8-Staaten zur Fortführung des Kyoto-Prozesses zu bewegen. Außerdem solle sich die Bundesregierung für einen besseren Schutz von Tropenwäldern einsetzen, verbindliche Finanzierungsmechanismen für den Erhalt der biologischen Vielfalt vorantreiben, partnerschaftliche Beziehungen zu afrikanischen Ländern ausbauen und einen systematischen Dialog zum Klimaschutz mit Schwellen- und Entwicklungsländern einrichten.