Steuerflucht zu verhindern ist nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit,
sondern auch eine des demokratischen Zusammenhalts. Anlässlich der Panama-Papers
warnt der grüne Europapolitiker und W&E-Mitherausgeber Sven Giegold auf
cicero.de davor, dass auch Populisten die jüngsten Enthüllungen für ihre
Zwecke instrumentalisieren könnten. Wir dokumentieren den Kommentar:
Von Sven Giegold
Bravo! Die
Enthüllungen der „Panama Papers“ sind ein Meistertück investigativen und
grenzüberschreitenden Journalismus. Den 400 Journalisten aus aller Welt gebührt
unser Dank. Die Recherche ist ein Mammutprojekt im Geiste der
Steuergerechtigkeit und der Rechtsstaatlichkeit. Die Journalisten werfen Licht
auf das Treiben von Briefkastenfirmen in Steueroasen, deren Lebenselixier die
Dunkelheit ist.
So löblich die Arbeit der Journalisten ist, so beschämend ist es für die
Staaten, dass sie im Kampf gegen Steuerflucht und Geldwäsche auf solche
Datenlecks angewiesen sind. Intransparenz ist der Gegner von
Steuergerechtigkeit und gleichzeitig das Geschäftsmodell von Kanzleien wie
Mossack-Fonseca. Solche Firmen haben eine gigantische
Briefkastenfirmen-Industrie geschaffen. Das globale Finanzsystem ist zur
Infrastruktur für Finanzkriminalität geworden.
Die Steuerflucht auf Konten in die Schweiz oder Luxemburg ist schon seit langem
als Volkssport bekannt. Die Briefkastenfirmen sind eine aggressivere Form der
Steuerflucht und Korruptionsverschleierung, es geht um enorme Summen und auch
um kriminelle Aktivitäten. Die schiere Masse der Daten von Mossack-Fonseca
verdeutlicht das Ausmaß dieser Machenschaften: Was hier geschaffen wurde, ist
ein Parallelsystem, durch das sich Mächtige und Reiche dem Rechtsstaat und
ihrer gesellschaftlichen Verantwortung entziehen. Ein verheerender Eindruck
drängt sich auf: Wenn Spitzenpolitiker von sozialer Marktwirtschaft oder
wirtschaftliche Eliten von Rechtsstaatlichkeit reden, meinen sie nicht sich
selbst, sondern die anderen. Und hierin liegt die gesellschaftliche Sprengkraft
dieser Enthüllungen: Es ist ein Vertrauensbruch zwischen denjenigen, die unsere
gemeinsamen Spielregeln akzeptieren und ihren Anteil zur Gesellschaft
beisteuern und jenen, die sich darum drücken. Und das Verschleiern von Vermögen
und Abwandern in Steueroasen lohnt sich eben nur für diejenigen, die sowieso
schon viel haben.
Weil in den
„Panama Papers“ auch die Namen von politischen, gesellschaftlichen und
wirtschaftlichen Eliten stehen, können die Enthüllungen von Populisten
instrumentalisiert werden. Wie gerne zeichnen die Populisten das Bild von den
korrupten Eliten und dem betrogenen Normalbürger, um vermeintliche Nähe zum
Volk für ganz andere Ziele herzustellen. Mit diesem Thema könnten sie die
Gesellschaft weiter spalten.
Steuersumpf trockenlegen
Es kommt
jetzt also auf die Antwort der politischen Verantwortungsträger an. Nur mit
einer entschlossenen und glaubhaften Reaktion kann weiteres Misstrauen in die
politischen und wirtschaftlichen Eliten verhindert werden. Aber wie kann die
Politik hierzulande gegen Geldwäsche und Steueroasen auf fernen Pazifikinseln
vorgehen?
Die
Trockenlegung des Steuersumpfes muss über die Banken führen. Banken vermitteln
die Reise des Geldes aus den Steueroasen in die Realwirtschaft, wo Erträge
erwirtschaftet werden. Aus den USA wissen wir, wie man gegen die Mittäterschaft
der Banken vorgehen kann: Banken müssen garantieren können, dass sie
grundsätzlich nur Konten und Geschäftsbeziehungen unterhalten, bei denen sie
die wirtschaftlich Begünstigten kennen. Machen sie mit instransparenten Firmen
Geschäfte, müssen sie eine Strafe zahlen. In den USA heißt das enstprechende
Gesetz Foreign Account Tax Compliance Act (FATCA). Solche Sanktionen gegen
Banken, die sich an dubiosen Geschäften beteiligen, sollten auf europäischer
Ebene eingeführt werden. Denn eines ist klar: Gegen die globale Geldwäscheindustrie
ist ein Staat alleine machtlos. Die Offensive gegen Geldwäsche muss europäisch
und global geführt werden. Dann dürfte sie auch gegen die hartgesottensten
Häfen für Briefkastenfirmen erfolgreich sein.
Bekämpfung von Geldwäsche als G20-Projekt
EU-Kommissionspräsident
Juncker ist nun in der Pflicht, einen Aktionsplan gegen Geldwäsche und
Briefkastenfirmen auf den Weg zu bringen. Ein europäisches FATCA gehört als
Hebel zur internationalen Durchsetzung in diesen Plan. Finanzminister Schäuble
hat die letzten großen Skandale – OffshoreLeaks und LuxLeaks – genutzt, um in
der EU und in der G-20 eine erfolgreiche Koalition der Willigen
zusammenzubringen. Auch die jetzige Chance muss er nutzen und sich an die
Spitze einer internationalen Bewegung stellen. Deutschland muss seine kommende
deutsche G-20-Präsidentschaft nutzen und die Bekämpfung von Geldwäsche zu einem
Schwerpunkt machen.
Unternehmensregister veröffentlichen
Ein zweiter
wichtiger Punkt ist die Transparenz von Unternehmen. Deutschland und die
anderen EU-Länder haben sich bereits zu einem Unternehmensregister
verpflichtet. Darin sollen alle wirtschaftlich Begünstigten von Firmen und
anderen Rechtsformen aufgeführt werden. Bei der konsequenten und wirksamen
Anwendung dieser neuen Regelung hat sich die Bundesregierung aber bisher als
Blockierer von Transparenz hervorgetan. Denn es ist von großer Bedeutung,
welche Personen und Institutionen Zugriff auf die Informationen des
Firmenregisters haben. Die Bundesregierung will nur einigen Wenigen Einsicht in
diese Informationen geben.
Was aber
gerade Journalisten und NGOs zur Aufdeckung von Steuerskandalen beitragen
können, zeigen nicht erst die „Panama Papers“, sondern auch vorangegangene
Recherchen wie etwa jene zu den „Luxemburg Leaks“. Das bedeutet: Finanzminister
Schäuble darf bei dem Unternehmensregister nicht zum Transparenzverweigerer
werden. Die Informationen müssen öffentlich transparent sein, damit diese
europäische Richtlinie ihre Wirksamkeit im Kampf gegen Geldwäsche entfalten
kann. Deutschland sollte hier mit Frankreich vorangehen und beweisen, dass
Europa trotz Krisen und Zankereien in wichtigen Politikfeldern konkrete
Verbesserungen erzielen kann.
Es geht um Gerechtigkeit
Zu unseren
Hausaufgaben in Deutschland gehört aber noch ein anderer Aspekt. Bei der
Bekämpfung von Geldwäsche ist unser Staat bemerkenswert schlecht aufgestellt.
In Deutschland ist für die Kontrolle von Geldwäsche häufig die kommunale Ebene
zuständig. Das heißt: Die kommunale Gewerbeaufsicht oder gar Standesbeamte, bei
denen Menschen ansonsten ihr Kleingewerbe anmelden, sollen Geldwäsche
kontrollieren. Das ist auch ein Grund, warum die Aufklärungsquote bei uns so
schlecht ist. Deutschland hat sich somit zum beliebten Ziel von Schwarzgeld
gemacht.
Die „Panama
Papers“ decken die Schändung des Gemeinwohls auf. Aber sie könnten zum
Glücksfall werden, wenn wir jetzt endlich anpacken, was über Jahre hinweg
verschlafen wurde: Einen ernsthaft geführten Kampf gegen die globale
Geldwäscheindustrie. Die Bedeutung dieser Herausforderung kann gar nicht
überbetont werden. Es geht um die zentrale Frage von Gerechtigkeit. Gelten für
alle die gleichen Gesetze und Pflichten oder erlauben wir es, dass sich manche
davon ausnehmen können?
Gleichbehandlung und Gerechtigkeit sind das Fundament
einer demokratischen und offenen Gesellschaft. Dieses Fundament muss jetzt
erneuert werden.