FTT-Direktive der EU: Die Debatte beginnt erst!
Gastkommentar von Jörg Alt*)
Niemand hatte dies vor zwei Jahren für möglich gehalten! EU-Kommissionspräsident Barroso spricht sich heute vor dem EU-Parlament für eine Steuer auf Finanztransaktionen ab 2014 aus, ausgerechnet der Chef jener Institution, die vielen Globalisierungskritikern bis vor Kurzem als Hüterin der neoliberalen reinen Lehre gegolten hat!
Offensichtlich ist es in der kurzen Zeit der Zivilgesellschaft und ihren Verbündeten gelungen, ihre Argumente plausibler erscheinen zu lassen als jene der Finanzlobby. Insofern kann man mit den heute bekannt gewordenen Vorschlägen der Kommission recht zufrieden sein, wenngleich die Kommission natürlich nicht alle Ideen der Zivilgesellschaft aufnimmt: So finden wir beispielsweise den homöopathischen Steuersatz von 0,01% auf den Handel mit Derivaten viel zu niedrig. Wir treten weiterhin für eine einheitliche Steuer von 0,05% ein, auch und gerade auf Derivate, die im Auf- und Ab der Finanzmärkte eine besonders zerstörerische Rolle spielen.
Aber: Mit dem vorgelegten Entwurf für eine Direktive wird die Diskussion um die europaweite Finanztransaktionssteuer erst richtig beginnen. Dabei werden neben den Gegnern auch die zivilgesellschaftlichen Bündnisse ihre Beiträge leisten und versuchen, das Erreichte zu verteidigen oder gar zu verbessern. Die Chancen auf das Zustandekommen der Steuer sind so gut wie nie, auch und vor allem, wenn eine Gruppe von Staaten, etwa in der Eurozone, vorangehen und andere anschließend zum Mitmachen einladen.
Die größte Herausforderung für die „Steuer gegen Armut“- bzw. „Robin Hood Tax“-Kampagnen in Europa wird nun aber sein, Einnahmen aus dieser Steuer für die von ihnen geforderten Zwecke zu sichern: Den Kampf gegen internationale und nationale Armut sowie den Schutz von Klima und Umwelt. Es ist schließlich naheliegend, dass der Enthusiasmus jener Regierungen, die eine Finanztransaktionssteuer befürworten, sich vor allem im Hinblick auf die eigenen klammen Kassen erklärt. Das ist legitim, aber nicht das, was wir wollen. Und da es die Finanztransaktionssteuer ohne die zivilgesellschaftliche Bewegung nicht bis hierher geschafft hätte, so werden wir auch weiterhin energisch und selbstbewusst für unsere Forderungen eintreten.
In Deutschland ginge es im nächsten Schritt ganz konkret folgendes: 365 von 621 Bundestagsabgeordneten haben sich im sog. „Entwicklungspolitischen Konsens“ dafür ausgesprochen, Deutschland solle bis 2015 das Versprechen einlösen, 0,7% seines BNE für Armutsbekämpfung und Entwicklung ausgeben – eine satte Mehrheit im Parlament! Konkret würde dies bedeuten, für vier Jahre ab sofort den Entwicklungshilfeetat um jeweils 2,5 Mrd. € aufzustocken. Die absehbaren Einnahmen aus der Finanztransaktionssteuer würden dies, mit ein wenig Hin- und Herschieben, ermöglichen. Aus diesem Grund appellieren wir vor allem an die Konsens-Unterzeichner aus den Koalitionsparteien, ihren Unterschriften schon in diesem Haushaltsverfahren Taten folgen zu lassen, etwa am 19.10.2011, wenn über Änderungsanträge zum Entwicklungshilfehaushalt entschieden wird.
*) P. Dr. Jörg Alt SJ ist Moderator der Kampagne Steuer gegen Armut.