Weltbank: Aufstockung des Kapitals und Absenkung der Standards?
Der Nachhaltigkeitsgipfel der
Vereinten Nationen hat uns mit einem ehrgeizigen Set an 17 Entwicklungszielen und
der Agenda 2030 zurückgelassen, doch mit einer gähnenden Leere, was neue
Finanzmittel betrifft, die zu ihrer Umsetzung notwendig wären. Aber schneller
als erwartet versucht nun eine alte Bekannte, die Weltbank, aus dieser
Situation Kapital zu schlagen. Die neuen globalen Ziele im Verein mit der
jüngsten Konjunkturverlangsamung in den Schwellenländern, so argumentiert
Weltbank-Präsident Jim Kim auf der Jahrestagung der Bretton-Woods-Zwillinge in Lima/Peru
diese Woche, führten zu einer stark steigenden Nachfrage nach
Weltbank-Krediten. Diese könnte nur befriedigt werden, wenn die Kapitalbasis
der Bank (genauer gesagt: ihres zentralen Arms, der International Bank for
Reconstruction and Development), die sich derzeit bei 253 Mrd. Dollar beläuft,
kräftig erhöht wird.
Jim
Kim hält den Zeitpunkt für eine weitere Kapitalerhöhung der Bank für günstig, zumal
sich mit der BRICS-Bank und der Asiatischen Infrastruktur-Investitionsbank
(AIIB) derzeit zwei ernst zu nehmende Konkurrenten der Weltbank etablieren. Doch
sind da nicht nur die rechten Republikaner im US-Kongress, die normalerweise
gegen alle Finanzmittel Sturm laufen, deren Zweck international riecht. Die Weltbank
durchläuft derzeit auch selbst einen Überprüfungsprozess ihrer Sozial- und
Umweltstandards (sog. safeguards), an
dessen Ende sie ohne ihr Hauptargument dastehen könnte, das die hauptsächlich
westlichen Anteilseigner gegen die neue Konkurrenz aus dem Süden ins Feld
führen. Umwelt- und Entwicklungsorganisationen warnen derzeit nämlich davor, dass
der laufenden Prüfungsprozess zu einer Absenkung der Standards führen und die
Bank auf diese Weise ihr angebliches Spitzenniveau in der Welt einbüßen könnte.
Derzeit
wird der zweite Entwurf für die Überarbeitung der safeguards diskutiert,
der Anfang August veröffentlicht wurde. Den ersten Entwurf gab die Weltbank im
Juli 2014 heraus. Nach bisherigen Plänen sollen die neuen Standards bis zum
Jahresende verabschiedet werden, wobei eine Verzögerung bis ins nächste Jahr
hinein wahrscheinlich ist. Die Schutzstandards gelten für alle Förderprojekte
der Weltbank, die über Regierungen finanziert werden. Schon der erste
Reform-Entwurf enthielt eine massive Verwässerung von Schutzstandards. Auch der
neue Vorschlag für das sog. Environmental & Social Safeguards Framework
würde die Vorgaben empfindlich schwächen. Danach sollen die Standards in Zukunft weitgehend in das Ermessen der
Nehmerländer fallen, statt wie bisher verbindlich zu sein. Bei so
fundamentalen Bedingungen wie der Wahrung der Rechte indigener Gemeinden oder
der Erhaltung empfindlicher Ökosysteme will die Bank die Überwachung also
abgeben.
Wie wichtig verbindliche Standards und ihre kontinuierliche Überprüfung durch die Bank sind, zeigt sich zum Beispiel bei Zwangsumsiedlungen. Im März dieses Jahres musste Kim zugeben, dass Schutzmaßnahmen für Menschen, die durch Weltbank-Projekte von Zwangsumsiedlungen betroffen waren, schlecht umgesetzt wurden. Die Bank hatte fatalerweise nicht verfolgt, was mit den Menschen geschah. Ob es da ein kluger Schachzug ist, die Forderung nach einer Kapitalerhöhung zu einem Zeitpunkt zu erheben, zu dem die Bank dabei ist, ihre eigenen Sozial- und Umweltstandards weiter abzusenken? Mit den soeben beschlossenen nachhaltigen Entwicklungszielen hätte dies jedenfalls nichts zu tun.
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