7. Oktober 2015

G20/OECD/BEPS: Bauchlandung statt Systemwechsel

Traditionell treffen sich die Finanzminister der Gruppe der 20 (G20) morgen im Vorfeld der Jahrestagung von IWF und Weltbank in Lima/Peru. In diesem Jahr haben sie den soeben veröffentlichten Abschlussbericht zur „Erosion der Steuerbasis und zur Profitverlagerung“ (BEPS) auf dem Tisch, den sie vor zwei Jahren bei der OECD in Auftrag gegeben haben. Damit sollte den Steuervermeidungsstrategien der Transnationalen Konzerne ein Riegel vorgeschoben und sicher gestellt werden, dass diese ihre Steuern dort bezahlen, „wo ihre wirtschaftlichen Aktivitäten stattfinden und die Werte geschaffen werden“. Heißt also die Verschiebung von Gewinnen in die Länder mit den niedrigsten Steuertarifen oder sonstigen Vergünstigungen sollte nicht mehr möglich sein. Doch diese Chance wurde ebenso verpasst wie das Versprechen, die Entwicklungsländer, die auch nach OECD-Aussagen von den Steuervermeidungsstrategien der Konzerne besonders stark betroffen werden, angemessen zu beteiligen.


Die BEPS-Initiative behandelt multinationale Unternehmen nämlich steuerlich weiterhin so, dass Mutter- und Tochterfirmen in einzelnen Staaten getrennt betrachtet sowie besteuert werden. Zugleich wird am System der Verrechnungspreise für konzerninterne Transaktionen zwischen Mutter- und Tochterunternehmen festgehalten, das bislang ein Hauptinstrument der Gewinnverschiebung war. Für Markus Henn von WEED wäre stattdessen ein Systemwechsel zur Gesamtkonzernsteuer angemessen. „Dabei wird ein Konzern als das betrachtet, was er ist: eine große Einheit mit einem Gesamtgewinn, der dann auf die betroffenen Staaten aufgeteilt werden kann.“ Zwar spiele die stärkere Verwendung der Gesamtkonzernbetrachtung eine Rolle bei einigen BEPS-Maßnahmen. Im Wesentlichen würden aber nur neue Detailregeln zum System der Verrechnungspreise hinzugefügt, so Henn.

Auch viele Einzelmaßnahmen von BEPS bleiben hinter dem von der OECD verkündeten Durchbruch zurück. Besonders der Kompromiss bei den Sondersteuern („Boxen“) für Patente setzt ein falsches Signal. „Statt allen Sondersteuern einen Riegel vorzuschieben, wird nur eine besonders schädliche Form unterbunden, dafür aber der Rest umso mehr legitimiert“, kritisiert Markus Henn. „Das wird zu einer stärkeren Verbreitung von solchen Boxen führen. Der Ansatz für die Prüfung der zulässigen Boxen ist außerdem so komplex, dass er in der Praxis wahrscheinlich missbraucht werden wird.“ – Ein Fortschritt sind die länderspezifischen Berichte zu Geschäften und Steuerzahlungen, die Unternehmen an Behörden melden sollen. Aber die wichtigsten Daten aus den Berichten sind nicht öffentlich. So bleibt das volle Potential der Berichte ungenutzt, weil Medien und Zivilgesellschaft die Aktivitäten der Unternehmen und der Behörden nicht durchschauen können. Und selbst für manche Behörden könnte der Zugang nicht gesichert sein, da die direkte Meldung der Berichte nur an das Sitzland eines Unternehmens erfolgen soll. Wenn dieses Land eine Steueroase wie die Niederlande oder die Schweiz ist, könnte es bei der eigentlich vorgesehenen Weitergabe von Daten zu Problemen kommen.

Auch die Einbeziehung der Masse der Entwicklungsländer in BEPS lässt zu wünschen übrig. Ihnen wird jetzt anheimgestellt, das BEPS-Modell im Rahmen eines Forum-Ansatzes einfach zu übernehmen. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass über 100 Länder schlicht vom Entscheidungsprozess über die neuen Maßnahmen ausgeschlossen waren. Sie waren nie zu den einschlägigen Treffen eingeladen, sondern hatten allenfalls die Möglichkeit, wie zivilgesellschaftliche Organisationen oder Interessenvertreter der Wirtschaft in Konsultation Kommentare abzugeben.

Die OECD hat jetzt erstmals eine (konservative) Schätzung genannt, wie viel Geld den Staaten durch die aggressiven Steuervermeidungsstrategien der Konzerne pro Jahr verloren geht: 100-240 Mrd. US-Dollar. Wenn das Gros dieser Verluste wirklich zu Lasten der Entwicklungsländer geht, wie man aus den Einlassungen der OECD schlussfolgern kann, hätten sie mehr Beteiligung verdient.

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