G20/OECD/BEPS: Bauchlandung statt Systemwechsel
Traditionell treffen sich die Finanzminister der Gruppe der 20 (G20) morgen im Vorfeld
der Jahrestagung von IWF und Weltbank in Lima/Peru. In diesem Jahr haben sie
den soeben veröffentlichten Abschlussbericht
zur „Erosion der Steuerbasis und zur Profitverlagerung“ (BEPS) auf dem Tisch,
den sie vor zwei Jahren bei der OECD in Auftrag gegeben haben. Damit sollte den
Steuervermeidungsstrategien der Transnationalen Konzerne ein Riegel
vorgeschoben und sicher gestellt werden, dass diese ihre Steuern dort bezahlen,
„wo ihre wirtschaftlichen Aktivitäten stattfinden und die Werte geschaffen
werden“. Heißt also die Verschiebung von Gewinnen in die Länder mit den
niedrigsten Steuertarifen oder sonstigen Vergünstigungen sollte nicht mehr
möglich sein. Doch diese Chance wurde ebenso verpasst wie das Versprechen, die
Entwicklungsländer, die auch nach OECD-Aussagen von den
Steuervermeidungsstrategien der Konzerne besonders stark betroffen werden,
angemessen zu beteiligen.
Die BEPS-Initiative behandelt multinationale Unternehmen nämlich steuerlich
weiterhin so, dass Mutter- und Tochterfirmen in einzelnen Staaten getrennt
betrachtet sowie besteuert werden. Zugleich wird am System der
Verrechnungspreise für konzerninterne Transaktionen zwischen Mutter- und
Tochterunternehmen festgehalten, das bislang ein Hauptinstrument der
Gewinnverschiebung war. Für Markus Henn von WEED wäre stattdessen ein
Systemwechsel zur Gesamtkonzernsteuer angemessen. „Dabei wird ein Konzern als
das betrachtet, was er ist: eine große Einheit mit einem Gesamtgewinn, der dann
auf die betroffenen Staaten aufgeteilt werden kann.“ Zwar spiele die stärkere
Verwendung der Gesamtkonzernbetrachtung eine Rolle bei einigen BEPS-Maßnahmen.
Im Wesentlichen würden aber nur neue Detailregeln zum System der
Verrechnungspreise hinzugefügt, so Henn.
Auch viele Einzelmaßnahmen von BEPS bleiben hinter dem von der
OECD verkündeten Durchbruch zurück. Besonders der Kompromiss bei den
Sondersteuern („Boxen“) für Patente setzt ein falsches Signal. „Statt allen
Sondersteuern einen Riegel vorzuschieben, wird nur eine besonders schädliche
Form unterbunden, dafür aber der Rest umso mehr legitimiert“, kritisiert Markus
Henn. „Das wird zu einer stärkeren Verbreitung von solchen Boxen führen. Der
Ansatz für die Prüfung der zulässigen Boxen ist außerdem so komplex, dass er in
der Praxis wahrscheinlich missbraucht werden wird.“ – Ein Fortschritt sind die
länderspezifischen Berichte zu Geschäften und Steuerzahlungen, die Unternehmen
an Behörden melden sollen. Aber die wichtigsten Daten aus den Berichten sind
nicht öffentlich. So bleibt das volle Potential der Berichte ungenutzt, weil
Medien und Zivilgesellschaft die Aktivitäten der Unternehmen und der Behörden
nicht durchschauen können. Und selbst für manche Behörden könnte der Zugang
nicht gesichert sein, da die direkte Meldung der Berichte nur an das Sitzland
eines Unternehmens erfolgen soll. Wenn dieses Land eine Steueroase wie die
Niederlande oder die Schweiz ist, könnte es bei der eigentlich vorgesehenen
Weitergabe von Daten zu Problemen kommen.
Auch
die Einbeziehung der Masse der Entwicklungsländer in BEPS lässt zu wünschen
übrig. Ihnen wird jetzt anheimgestellt, das BEPS-Modell im Rahmen eines
Forum-Ansatzes einfach zu übernehmen. Das ändert aber nichts an der Tatsache,
dass über 100 Länder schlicht vom Entscheidungsprozess über die neuen Maßnahmen
ausgeschlossen waren. Sie waren nie zu den einschlägigen Treffen eingeladen,
sondern hatten allenfalls die Möglichkeit, wie zivilgesellschaftliche
Organisationen oder Interessenvertreter der Wirtschaft in Konsultation
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