16. November 2014

Neoliberales Recycling in Brisbane: Zauberwort Strukturreformen

Der G20-Gipfel ist wie erwartet mit einem Abschluss-Kommuniqué zu Ende gegangen, in dessen Mittelpunkt die Ankündigung steht, das globale Wachstum in den nächsten fünf Jahren um zusätzliche 2% anzuheben. Das Zauberwort, um dies zu erreichen, lautet „Strukturreformen“. 800 solcher „Reformen“ haben die G20 aufgelistet. Sie reichen vom Abschluss der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) bis zur weiteren Deregulierung der Arbeitsmärkte, von der Stärkung der „Wettbewerbsfähigkeit“ bis zur Vermeidung von Währungskonkurrenz im internationalen Handel. Besondere Hoffnung setzen die G20 auch in eine Initiative für Infrastrukturinvestitionen.

Einiges davon folgt dem altbekannten Prinzip, grandiose Versprechungen zu machen, die dann doch nicht eingehalten werden. Anderes wird eher zur Konjunkturdämpfung oder gar zur wirtschaftlichen Abwärtsentwicklung als zu neuem Wachstum beitragen. Insgesamt handelt es sich jedoch schlicht um neoliberales Recycling. Nehmen wir das TTIP, dessen beschleunigten Abschluss Bundeskanzlerin Merkel jetzt in Brisbane wieder gefordert hat. Eine US-amerikanische Studie prognostiziert hier inzwischen sogar, dass in Europa im Gefolge von TTIP nicht neue Jobs entstehen werden, sondern es zu Arbeitsplatz- und Einkommensverlusten kommen wird. Skepsis ist auch gegenüber dem Investitionsschub angebracht. So will Deutschland in den nächsten drei Jahren 10 Mrd. € für öffentliche Investitionen locker machen – das sind gerade mal 0,1% des deutschen Bruttoinlandsprodukts.

Auf „Strukturreformen“ kaprizieren sich die G20 u.a. deshalb, weil es unter ihnen großen Widerstand gegen fiskalische Initiativen der Konjunkturstimulierung gibt. Dieser Widerstand wird ausgerechnet von denen angeführt, die noch den größten Spielraum dazu hätten, allen voran die deutsche Bundesregierung. Doch kann nicht sein, was nicht sein darf. Strukturreformen sind dabei nicht viel mehr als ein Codewort für den neoliberalen Dreiklang von Liberalisierung, Deregulierung und Privatisierung. Da sind die G20 also angekommen, nachdem sie zum Zeitpunkt ihrer Gründung auf Gipfelebene vor gut fünf Jahren sogar mit neokeynesianischen Überraschungen angetreten waren. Aber da hatte man noch Angst vor dem ganz großen Crash der Finanzmärkte und dem Absturz in eine neue weltweite Depression. Beide Ängste sind inzwischen offensichtlich dem Business-as-usual gewichen. Und da verwundert es nicht, dass es auch in puncto Finanzmarkt-Reformen (Kampf gegen Schattenbanken und die Too-big-to-fail-Problematik) und Kampf gegen aggressive Steuervermeidung zu keinen aufregenderen Beschlüssen gekommen ist, als sie auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner möglich waren.

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