22. Oktober 2014

Drei Kardinalfehler der TTIP-Trommler


In der aktuellen Debatte um die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) treten die Befürworter insbesondere mit drei Argumenten hervor: Erstens brauchten wir das neue Freihandelsabkommen, um dem lahmenden Wachstum einen kräftigen Schub zu geben. Zweitens müssten sich die USA und Europa auf starke Bestimmungen des Investitionsschutzes einigen, da sie nur dann in der Lage wären, diese auch in Abkommen mit Drittstaaten durchzusetzen. Und drittens gibt es einige, die sich von einem TTIP sogar höhere und verbindliche Umwelt- und Sozialstandards versprechen. Doch während das erste Argument Ursache und Wirkung verwechselt, ist das zweite höchst verräterisch und das dritte reichlich naiv.

Es ist verständlich, dass in Zeiten einer blutleeren Erholung und stagnativer Tendenzen versucht wird, den Handel als des Rätsels Lösung anzupreisen. So argumentierte jüngst der US-amerikanische TTIP-Unterhändler Michael Froman, mehr Handelsabkommen trieben das globale Wachstum an und verwies u.a. auf die relativ guten Wachstumszahlen der USA im zweiten Quartal 2014, wofür insbesondere steigende Exporte der US-Wirtschaft verantwortlich seien. Warum die deutlich exportstärkere deutsche Ökonomie ausgerechnet im selben Quartal überraschend ins Minus rutschte, erklärt sich so freilich nicht. Der vielfach behauptete Zusammenhang zwischen internationalem Handel und globaler Expansion existiert in dieser Form auch gar nicht bzw. ist geradezu kontraproduktiv, wenn alle Staaten dieselbe exportorientierte Strategie verfolgen. Der erhoffte globale Aufschwung des Handels wird durch eine robuste Erholung des Outputs – gestützt auf eine steigende gesamtwirtschaftliche Nachfrage und heimisches Wachstum – stattfinden und nicht andersherum.

Dem zweiten eingangs zitierten Argument ist zwar eine gewisse Plausibilität nicht abzusprechen, hinter der aber schnell ein imperiales Kalkül sichtbar wird: Demnach soll TTIP auch ein Hebel sein, um durchzusetzen, was in anderen Zusammenhängen nicht möglich war – in der Doha-Runde der WTO beispielsweise, wo das Investitionsthema aufgrund des Widerstands von Entwicklungs- und Schwellenländern von der Agenda genommen werden musste oder in der OECD, wo die Verhandlungen über ein Multilaterales Investitionsabkommen (MAI) sogar an Widersprüchen zwischen den Industrieländern scheiterten. Dass wir einen starken Investitionsschutz mit eigenen Schiedsgerichten schon deshalb ihm TTIP bräuchten, um hernach ähnliche Bestimmungen den Schwellen- und Entwicklungsländern aufzudrücken, ist also eher Anmaßung als Argument.

Und dann ist da noch das Argument bzw. besser: die Hoffnung, dass TTIP von den Europäern auch dazu genutzt werden könnte, um gegenüber den USA höhere Umwelt- und Sozialstandards durchzusetzen. Dies ist nicht nur naiv, sondern verkennt ganz grundsätzlich die Funktion und die aktuellen Tendenzen von Handelsabkommen. Denn warum sollten die Verhandlungspartner in solchen Abkommen Regelungen zustimmen, zu deren Umsetzung sie bislang bei sich zu Hause nicht bereit waren? Der reale Trend in Handelsverhandlungen geht deshalb nicht zur Schaffung neuer, höherer und gemeinsamer Normen, sondern zur gegenseitigen Anerkennung bestehender Normen. Wer keine Absenkung von sozialen, umwelt- oder verbraucherpolitischen Standards will, sondern auf ihre Anhebung zielt, muss sich für umfassende und multilaterale Abkommen, an denen wirklich alle Handelspartner beteiligt sind, einsetzen, auch wenn das ein harter Weg ist. Genau gegen einen solchen Multilateralismus steht aber TTIP.

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