Boni-Debatte: Mehr Schweiz wagen oder Emmentaler essen?
Eigentlich
hätte man noch ein Pressestatement von Attac erwarten dürfen. Denn selten waren
die SprecherInnen links von der politischen Mitte so voll des Lobes für die
Schweiz. Ausgerechnet die Schweiz! Da forderte die Linke „Mehr Schweiz wagen“.
Die grünen Sprecher verlangten auch hierzulande eine strengere Regulierung der
Managervergütungen. Und selbst der SPD-Kanzlerkandidat fand lobende Worte für
die Schweiz. Dabei ist das Referendum vom Sonntag, in dem eine Mehrheit der
SchweizerInnen für die Deckelung von Managergehältern, ein Verbot von
Begrüßungsgeldern und Abfindungen und die jährliche Wahl der Direktoren durch
die Aktionäre stimmte, vor allem ein Zeichen des Diskurs- und Stimmungswandels.
Substanziell wird sich noch erweisen müssen, ob es sich um den Beginn einer
neuen Ära handelt oder unter der Rubrik „Schweizer Käse“ abgehakt werden muss.
Verglichen
mit dem EU-Kompromiss von letzter Woche, in der sich Parlament und Kommission
auf die Begrenzung der Banker-Boni, zusätzliche Eigenkapitalpuffer und eine
länderbezogene Berichtspflicht für Bankprofite, Steuern und Subventionen
einigten, ist das Schweizer Modell insofern weitreichender, als es sich auf
alle Wirtschaftsunternehmen bezieht, während die anvisierte EU-Regelung nicht
einmal den gesamten Finanzsektor einbezieht. Andererseits wird die geplante
EU-Regulierung, so sie denn nicht durch die Finanzlobby erneut verwässert wird,
die Vergütung der Bankmanager einer verbindlichen und direkten gesetzlichen
Regelung unterwerfen, während nach der Schweizer Initiative dies „die Aktionäre“
beschließen sollen. Letzteres ist der Pferdefuß, den die Marktanhänger aller
Couleur sofort erkannt haben. Wenn Aktionäre entscheiden, entscheidet nicht „der
Kleinaktionär“, sondern die großen Anteilseigner. „Und keine Krähe hackt der
anderen ein Auge aus“, wie ein Berichterstatter von der Frankfurter Börse süffisant
kommentierte.
Aber
nicht nur das Schweizer Modell hat Schlupflöcher wie der sprichwörtliche Käse. Kurz
nach Bekanntwerden des EU-Kompromisses kolportierten die Lex-Kolumnisten der Financial Times genüsslich, wie in den
Großbanken alle Star-Banker neue Arbeitsverträge erhalten, die dem Umstand
Rechnung tragen, dass die Boni der Banker künftig nur in Ausnahmefällen das
Festgehalt übersteigen dürfen. Unter dem Strich ändert sich nach diesem Modell
an den Bezügen der Top-Banker gar nichts. Und wenn schon die Finanzjournaille
auf solche Ideen kommt – wie ausgeklügelt dürften dann die Tricks sein, mit
denen die Branche die neuen Regulierungen umgehen kann?
Dennoch
wäre die Umsetzung der neuen EU-Richtlinien ein Fortschritt, an dem man ansetzen
könnte: Die Boni-Regelung könnte man nicht nur auf Hedgefonds und Aktienfonds,
sondern auf alle Aktienkonzerne ausdehnen. Auch die länderweise Berichtspflicht
sollte für alle Transnationalen Konzerne durchgesetzt werden. Und auf Basel III
(Eigenkapitalbestimmungen) könnte Basel IV folgen. Je mehr in dieser Richtung
umgesetzt wird, desto weniger wird ein Rückfall in die Ära der vollständigen
Deregulierung möglich.
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