Eurokrise 2.0: Europas Lehmanscher Augenblick?
Wie ein Blitz hat der geplatzte Zyperndeal die
trügerische Gewissheit zerstört, das Gröbste der Eurokrise sei vorbei. Während
erstmals ein Parlament des Euroraums Nein zu einem Hilfspaket aus Brüssel
sagte, beschädigt der Dilettantismus der Krisenmanager weiter das Vertrauen in
die Eurozone. Gleich mit erledigt wurde dabei fürs erste die Hoffnung, dass die
Eurozone einheitlich handeln und ihre Banken unter ein einziges und robustes
Regulierungssystem bringen könnte. Mit dem italienischen Wahlergebnis und dem
Nein aus Zypern tritt die Eurokrise in eine neue Phase. Sie ist durch
zahlreiche unfertige Baustellen gekennzeichnet.
Als erstes dürfte die Zypernkrise die Rezession, in
der die Eurozone steckt, bis auf weiteres verlängern. Wenn sich die Spaltungen
in Europa vertiefen, bleibt kaum noch Raum für die Entwicklung einer gemeinsamen
und aktiven Konjunkturpolitik, an der einige, allen voran Berlin, ohnehin kein
Interesse haben. Wenn die Europäische Zentralbank, wie angedroht, Zypern am kommenden
Montag tatsächlich den Geldhahn (in Form der Notfall-Liquiditätshilfe ELA)
abdreht, wäre das so etwas wie Europas Lehman’scher Moment. Während mit der Verweigerung
der Rettung der Lehman-Bank durch die US-Regierung die Finanzkrise erst so
richtig losgetreten wurde, wäre es im Falle Zypern das erste Mal, dass einem
Euro-Mitgliedsland die Rettung verweigert wird. Wegen der geringen relativen
Größe der zyprischen Ökonomie im Euroraum ist allerdings unklar, wie groß das
Beben dann wäre.
Eine zweite Baustelle ist das Projekt der Schaffung
einer Europäischen Bankenunion. Mit dem versuchten Griff Brüssels nach einem Teil
der Spareinlagen in zyprischen Banken (von anderen Guthaben, die reiche
Steuerflüchtlinge in der Regel bevorzugen, wie Fonds, Einlagen in Trusts und
Immobilieninvestitionen, war gar nicht erst die Rede) wurde ein zentraler
Daseinszweck der geplanten Bankunion in Frage gestellt: die Garantie von Bankeinlagen.
Nicht alles freilich, was derzeit in der Eurozone
geschieht, fällt unter die Kategorien „Krisen-Dilettantismus“ oder „Unfähigkeit
zur Reform“. Nach dem Beschluss, die Boni der Banker zu kappen, sollen jetzt
auch Fonds-Manager nicht mehr in Form von Boni bekommen dürfen als sie als
reguläres Gehalt erhalten. (Bereits jetzt formiert sich der lobbyistische
Widerstand dagegen in Fonds-Hochburgen wie Frankreich, Luxemburg und Irland.)
Und mit der Einführung der Finanztransaktionssteuer (FTT) geht eine
wirtschaftsstarke Gruppe von Euroländern den Weg von Vorreitern bei der
Heranziehung des Finanzsektors zur Bewältigung der Krisenkosten. Warum
eigentlich verlangt die Eurogruppe von Zypern nicht die Einführung der FTT oder
die Etablierung eines wirksamen Systems progressiver Besteuerung von
Finanzeinkünften und riskiert lieber die Eurokrise 2.0?
* Wie die neue Phase der Eurokrise durch die
Unfähigkeit der Politik, eine einheitliche und entschlossene Antwort Europas
auf die Krise zu finden, vorbereitet wurde, wurde in diesem Blog und im
Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung immer wieder analysiert und
kommentiert. Wir haben die wichtigsten Beiträge in einem neuen W&E-Dossier
zusammengefasst >>> hier.
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