Wie die G20 hinter den eigenen Zielen hinterher hinken
Jetzt
haben wir es also schwarz auf weiß und quasi amtlich: Die G20-Staaten hinken an
allen Ecken und Enden hinter ihren eigenen Beschlüssen zur Regulierung der
Finanzmärkte hinterher. In „Fortschrittsberichten“
und einem Brief des Vorsitzenden des
Finanzstabilitätsrats (FSB), des kanadischen Zentralbankchefs Mark Carney, an
die Finanzminister und Notenbank-Gouverneure der 20 wichtigsten Industrie- und
Schwellenländer werden die Rückstände, wenn auch teilweise in verklausulierter
Finanzdiplomatensprache, detailliert aufgelistet. So ist von „ungleichen
Fortschritten“ bei der Lösung des „Too-big-to-fail“-Problems die Rede. Viele
der 28 global systemrelevanten Finanzinstitute (GSifis) werden es nicht schaffen,
bis zum Ende des laufenden Jahres ihre „Living wills“ – Rettungs- bzw. Abwicklungspläne
im Falle einer Krise – fertig zu stellen. Sie erhalten nun sechs Monate mehr
Zeit. Auch was die neuen Basel-III-Vorschriften der Rücklagebildung betrifft,
werden es gerade die Herkunftsländer der größten Banken versäumen, diese bis
Januar 2013 in nationales Recht umzusetzen.
Besonders
wenig ist bislang passiert, um die sog. Schattenbanken, Hedgefonds und
Versicherungen einer öffentlichen Kontrolle zu unterstellen. Hier schlägt das
FSB jetzt vor, ein Set von Regeln bis zum G20-Gipfel im nächsten September in
St. Petersburg zu erarbeiten und zu verabschieden. Wenn dieser Prozess jedoch
so verläuft wie die Regulierung außerbörslich gehandelter Derivate („OTC“),
dann wird auch hier nichts so heiß gegessen wie gekocht. Bei den OTC-Derivaten
war ursprünglich vorgesehen, alle diese Geschäfte über zentrale Clearingstellen
laufen zu lassen. Wie das FSB jetzt berichtet, planen acht der 25
FSB-Mitglieder, statt verbindlicher Regeln lediglich „Anreize“ dafür zu
schaffen, dass sich die OTC-Geschäften clearen lassen.
Während
in der Finanzmarktregulierung bestenfalls die Hälfte der selbst vorgezeichneten
Strecke zurückgelegt wurde, haben der britische und der deutsche Finanzminister
George Osborne und Wolfgang Schäuble am Rande der G20-Tagung in Mexiko-Stadt eine
Initiative angekündigt, auch das Problem der konzerninternen Transferpreise in
den Griff zu bekommen, die im Zentrum der Steuervermeidungsstrategien der
Transnationalen Konzerne stehen. Dies wäre in jedem Fall eine sinnvolle Ergänzung
der Finanzmarktreformen, und man darf gespannt sein, wie die erste Skizze der
Initiative aussehen wird, die die OECD bis zur G20-Finanzministertagung im
kommenden Februar – dann schon unter russischer Präsidentschaft – vorlegen soll.
Gäbe
es nicht das Drängen des FSB und die Initiativen von Einzelstaaten – die Fortschritte
der mexikanischen G20-Präsidentschaft wären noch magerer ausgefallen, als sie
ohnehin schon sind. Immerhin hat das letzte Treffen der Finanzminister unter
mexikanischer Ägide eine gewisse Lockerung der fiskalischen Konsolidierungsziele
des Toronto-Gipfels (Reduzierung der Haushaltsdefizite der Industrieländer um
50% bis Ende 2013) gebracht. Im Kommuniqué
des Treffens wird eingestanden, dass es derzeit nur „mäßiges Wachstum (gibt)
und die Abwärtsrisiken immer noch erhöht“ sind. Die Finanzminister und
Zentralbankchefs versichern deshalb alles zu tun, was notwendig ist, um die
Gesundheit und das Wachstum der Weltwirtschaft zu stärken – darunter auch „zu
gewährleisten, dass das Tempo der fiskalischen Konsolidierung angemessen ist,
um die Erholung zu unterstützen“.
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