Europaeisierung des Protests
Heute
– mehr als zwei Jahre nach dem Beginn der Krisenpolitik – erleben wir in Europa
den ersten breit getragenen und grenzüberschreitenden Streik- und Aktionstag.
Zum ersten Mal unterstützen auch der Europäische Gewerkschaftsbund (ETUC) und der Internationale Gewerkschaftsbund (ITUC) die kontinentweite Mobilisierung gegen die dominante
Krisen- und Austeritätspolitik der EU-Regierungen. Während in Griechenland,
Italien, Spanien und Portugal landesweite Streiks geplant sind, wird es in den
anderen EU-Mitgliedsstaaten eher zu Solidaritätsbekundungen und –aktionen kommen.
Dies spiegelt zwar die ungleiche Entwicklung der Bewegungen in Europa wider,
aber doch auch eine beachtliche Europäisierung des Protests, die zu einer
Veränderung der Kräfteverhältnisse beitragen kann.
Immerhin
zielt der ETUC mit seiner Mobilisierung auf die „Stärkung der Opposition gegen
die destruktive Austeritätspolitik“, die von der sog. Troika aus Europäischer
Kommission, Europäischer Zentralbank und IWF vorangetrieben wird. Sie soll das
Momentum schaffen für „einen sozialen Pakt für Europa mit einem wirklichen sozialen
Dialog, einer Wirtschaftspolitik, die qualifizierte Arbeitsplätze und
wirtschaftliche Solidarität zwischen den Ländern Europas fördert“. Gegenüber
der Standortlogik, denen viele nationale Gewerkschaften immer noch verhaftet
sind, spiegeln sich darin durchaus Fortschritte, kann doch von einem „sozialen
Dialog“ keine Rede sein, solange „die Architekten der Austerität … schlicht
darauf aus sind, die Finanzmärkte ohne Rücksicht auf die sozialen und
wirtschaftlichen Kosten bei Laune zu halten“, wie ITUC-Generalsekretärin Sharan
Burrow formuliert.
In
einem begleitenden Schreiben an den
EU-Ratspräsidenten Harman van Rompuy und dem Kommissionspräsidenten Manuel
Barroso ruft der ITUC dringend zur Korrektur der derzeitigen europäischen
Politik auf, die die EU in ihre bislang schwerste Krise gestürzt hat. Zugleich fordert
er, den Neuen Europäischen Sozialpakt
zu unterstützen, den der ETUC als Antwort auf die Krise entwickelt hat. Angesichts
der bisherigen Probleme eines gewerkschaftlichen Internationalismus, der diesen
Namen verdient, und der traditionellen Orientierung auf den „sozialen Dialog“
mag Skepsis angebracht sein, ob es sich hier wirklich um etwas Neues handelt.
Immerhin zwingt der Umstand, dass die vorherrschende Krisen- und Sparpolitik der
EU-Spitze jedem wie auch immer gearteten sozialen Dialog die Grundlage
entzieht, auch die Gewerkschaften zur Bewegung.
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