Jahrestagung von IWF und Weltbank: Nachrichten aus Tokio
Die
Geschäftsführende Direktorin des IWF, Christine Lagarde, hat die Europäer in
Sachen Sparpolitik zur Mäßigung aufgerufen. Der neue Weltbank-Präsident nutzt
die Zusammenkunft, um seine neue Agenda der Armutsbekämpfung zu präsentieren. Und
die Gruppe der 24 (Entwicklungsländer im IWF) beklagt sich bitterlich darüber,
dass die Quoten- und Governance-Reformen im Fonds nicht so recht vorankommen.
Die bis zum Sonntag dauernde Jahrestagung der beiden Bretton-Woods-Zwillinge, zu
der in Tokio zehntausende Finanz- und Entwicklungsminister, Privatbanker und Notenbankchefs
zusammengekommen sind, zeigt, wie bruchstückhaft die Fortschritte sind, die in
den Jahren seit der großen Finanzkrise – wenn überhaupt – erreicht wurden.
Schon
in seinem World Economic Outlook,
der am Mittwoch vollständig vorgestellt wurde, stellte der IWF heraus, dass die
Regierungen die negativen Auswirkungen der Austeritätspolitik auf das
Wirtschaftswachstum stark unterschätzt hatten und eine Sparpause notwendig sei,
um die Weltwirtschaft wieder in Gang zu bringen. Als Lagarde dann heute dazu
aufrief, sich bei der Umsetzung der eingeschlagenen Sparkurse mehr Zeit zu nehmen,
wurde dies allgemein als Unterstützung Griechenlands verstanden. Der Fonds
vertritt schon länger eine differenzierte Position in der Frage, wie, wann und
in welcher Situation die Länder auf fiskalische Konsolidierung (wie die Austerität
gerne vornehm umschrieben wird) oder auf konjunkturpolitische Stimulierung
setzen sollten. Diese Position passt ganz und gar nicht zu dem einseitig-brachialen
Austeritätskurs, wie ihn vor allem die deutsche Bundesregierung den anderen
Europäern aufzwingen will. Entsprechend kühl war die Reaktion Schäubles in
Tokio auf Lagarde.
Der
neue Weltbank-Präsident Jim Yong Kim ist in Tokio gerade mal etwas über 100
Tage im Amt und hat eine Initiative angestoßen, die darauf hinausläuft, die
absolute Armut in der Welt schneller zu beseitigen als gegenwärtig vorausgesagt
wird, also in den nächsten 20 bis 25 Jahren. Bemerkenswert daran ist, dass Kim
nicht wie bislang üblich von Armutsminderung oder –reduzierung, sondern
explizit von der Beendigung der Armut spricht. Andererseits bringt Kim auffallend häufig den Privatsektor ins Spiel, wenn es um den Kampf gegen die Armut geht,
z.B. bei der Schaffung von Arbeitsplätzen, die das Thema des neuen Weltentwicklungsberichts
der Weltbank sind (>>> W&E-Hintergrund Oktober 2012). Zu den Positiva hingegen gehört zweifellos, dass Kim darauf
insistiert, die Weltbank habe sich um die globalen öffentlichen Güter zu
kümmern und müsse sich „viel ernsthafter“ beispielsweise im internationalen
Klimaschutz engagieren. Dass er dabei auftritt wie ein überzeugter Vertreter der
„Green Economy“ und auch hier die Privatwirtschaft für den entscheidenden
Faktor hält, mag in Europa kritisch gesehen werden, für einen
Weltbank-Präsidenten mit US-amerikanischem Pass ist es ein Fortschritt.
Dass
bei den beiden Bretton-Woods-Institutionen vieles nicht zum Besten läuft,
belegt der mangelhafte Stand der Stimmrechtsreform, vor allem im IWF. Mit
großer Sorge vermerkt die Gruppe der 24 heue in ihrem Kommuniqué, dass selbst für die Quotenreform von 2010, die bis zu
dieser Jahrestagung hätte abgeschlossen sein sollen, noch immer nicht die
erforderliche Mehrheit zusammen ist. Das könnte sich zu einem ernsthaften
Risiko für das Ansehen des Fonds auswachsen, zumal die Reformen von 2010 erst
der Anfang eines längeren Prozesses sein sollten. – Der Fonds und die Bank
bleiben uns also als Beobachtungsgegenstand erhalten. Z.Zt. ist die Entwicklung
in der Weltbank besonders spannend, weil ihr neuer Präsident viel Überkommenes
auf den Prüfstand stellen will. Der IWF ist im Wandel, kein Zweifel, aber
unklar ist immer noch, wie weit er die teilweise neue Rhetorik in der Praxis
durchhalten kann und auch seine Politik „on the ground“, z.B. in der Troika, daran
ausrichtet.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen