11. Oktober 2012

Jahrestagung von IWF und Weltbank: Nachrichten aus Tokio

Die Geschäftsführende Direktorin des IWF, Christine Lagarde, hat die Europäer in Sachen Sparpolitik zur Mäßigung aufgerufen. Der neue Weltbank-Präsident nutzt die Zusammenkunft, um seine neue Agenda der Armutsbekämpfung zu präsentieren. Und die Gruppe der 24 (Entwicklungsländer im IWF) beklagt sich bitterlich darüber, dass die Quoten- und Governance-Reformen im Fonds nicht so recht vorankommen. Die bis zum Sonntag dauernde Jahrestagung der beiden Bretton-Woods-Zwillinge, zu der in Tokio zehntausende Finanz- und Entwicklungsminister, Privatbanker und Notenbankchefs zusammengekommen sind, zeigt, wie bruchstückhaft die Fortschritte sind, die in den Jahren seit der großen Finanzkrise – wenn überhaupt – erreicht wurden.

Schon in seinem World Economic Outlook, der am Mittwoch vollständig vorgestellt wurde, stellte der IWF heraus, dass die Regierungen die negativen Auswirkungen der Austeritätspolitik auf das Wirtschaftswachstum stark unterschätzt hatten und eine Sparpause notwendig sei, um die Weltwirtschaft wieder in Gang zu bringen. Als Lagarde dann heute dazu aufrief, sich bei der Umsetzung der eingeschlagenen Sparkurse mehr Zeit zu nehmen, wurde dies allgemein als Unterstützung Griechenlands verstanden. Der Fonds vertritt schon länger eine differenzierte Position in der Frage, wie, wann und in welcher Situation die Länder auf fiskalische Konsolidierung (wie die Austerität gerne vornehm umschrieben wird) oder auf konjunkturpolitische Stimulierung setzen sollten. Diese Position passt ganz und gar nicht zu dem einseitig-brachialen Austeritätskurs, wie ihn vor allem die deutsche Bundesregierung den anderen Europäern aufzwingen will. Entsprechend kühl war die Reaktion Schäubles in Tokio auf Lagarde.

Der neue Weltbank-Präsident Jim Yong Kim ist in Tokio gerade mal etwas über 100 Tage im Amt und hat eine Initiative angestoßen, die darauf hinausläuft, die absolute Armut in der Welt schneller zu beseitigen als gegenwärtig vorausgesagt wird, also in den nächsten 20 bis 25 Jahren. Bemerkenswert daran ist, dass Kim nicht wie bislang üblich von Armutsminderung oder –reduzierung, sondern explizit von der Beendigung der Armut spricht. Andererseits bringt Kim auffallend häufig den Privatsektor ins Spiel, wenn es um den Kampf gegen die Armut geht, z.B. bei der Schaffung von Arbeitsplätzen, die das Thema des neuen Weltentwicklungsberichts der Weltbank sind (>>> W&E-Hintergrund Oktober 2012). Zu den Positiva hingegen gehört zweifellos, dass Kim darauf insistiert, die Weltbank habe sich um die globalen öffentlichen Güter zu kümmern und müsse sich „viel ernsthafter“ beispielsweise im internationalen Klimaschutz engagieren. Dass er dabei auftritt wie ein überzeugter Vertreter der „Green Economy“ und auch hier die Privatwirtschaft für den entscheidenden Faktor hält, mag in Europa kritisch gesehen werden, für einen Weltbank-Präsidenten mit US-amerikanischem Pass ist es ein Fortschritt.

Dass bei den beiden Bretton-Woods-Institutionen vieles nicht zum Besten läuft, belegt der mangelhafte Stand der Stimmrechtsreform, vor allem im IWF. Mit großer Sorge vermerkt die Gruppe der 24 heue in ihrem Kommuniqué, dass selbst für die Quotenreform von 2010, die bis zu dieser Jahrestagung hätte abgeschlossen sein sollen, noch immer nicht die erforderliche Mehrheit zusammen ist. Das könnte sich zu einem ernsthaften Risiko für das Ansehen des Fonds auswachsen, zumal die Reformen von 2010 erst der Anfang eines längeren Prozesses sein sollten. – Der Fonds und die Bank bleiben uns also als Beobachtungsgegenstand erhalten. Z.Zt. ist die Entwicklung in der Weltbank besonders spannend, weil ihr neuer Präsident viel Überkommenes auf den Prüfstand stellen will. Der IWF ist im Wandel, kein Zweifel, aber unklar ist immer noch, wie weit er die teilweise neue Rhetorik in der Praxis durchhalten kann und auch seine Politik „on the ground“, z.B. in der Troika, daran ausrichtet.

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