Debatte um Steueroasen: Zwischen Humbug und Heuchelei
Die ganze Aufregung um die Steueroasen im Vorfeld des G20-Gipfels sei nichts als „Humbug“, schrieb am vergangenen Wochenende der Financial Times-Kolumnist John Kay. „Die Steueroasen existieren, weil ihnen die großen Staaten dies gestatten, und die großen Staaten gestatten dies, weil die Kunden der Steueroasen die Reichen und Mächtigen sind.“ Früher fuhren die Herrschaften zum Glückspiel nach Monaco, weil das in ihren Heimatländern verpönt war. Heute besteht die typische Klientel der Offshor-Zentren aus Hedgefonds und allen möglichen Kapitalgesellschaften. Für finanziell Unbedarfte war und ist beides nichts. Schon die Reise nach Monaco kostete früher ein Vermögen. Und auch die Etablierung einer Offshore-Gesellschaft oder –Trusts heute ist zunächst einmal mit Kosten verbunden, die jenseits der Mittel liegen, über die der durchschnittliche Mitmensch verfügt.
Das Hauptanliegen des Kommentators mag sein, die Existenz von Steueroasen und Offshore-Zentren als ganz normale Angelegenheit darzustellen. Doch wo er Recht hat, hat er Recht. Tatsächlich ist in der aktuellen Auseinandersetzung, die in der neuen Ausgabe des Informationsbriefs Weltwirtschaft & Entwicklung nachgezeichnet wird (s. Abbildung), viel Heuchelei und Hahnenkampf im Spiel. London und New York gehören vor allem deshalb zu den größten Finanzplätzen, weil sie über geölte Beziehungen zu zahlreichen Inseln im Kanal und in der Karibik verfügen. Oder: Ende 2006 beispielsweise waren über die Hälfte der Offshore-Fonds in den USA registriert, die meisten im Bundesstaat Delaware – dessen großzügige Aufsichtsregeln ihn faktisch zu einer Offshore-Region machen.
Auch die Auseinandersetzung zwischen deutschen Politikern und Luxemburg ist nicht frei von Hypokrisie und abruptem Sinneswandel. Z.B. Steinbrück und Müntefering. Erst drohten die beiden dem Großherzogtum unverschämt mit der „Kavallerie“ (Steinbrück) oder schlicht „der Armee“ (Münterfering: „Früher hätte man in Steuerparadiese die Armee geschickt.“ – Der SPD-Vorsitzende muss da was verwechseln). Doch jetzt gab der deutsche Finanzminister anlässlich der Verleihung des Europapreises des deutschen Dienstleistungsgewerbes an den Luxemburgischen Ministerpräsidenten Jean-Claude Juncker zu Protokoll: „Doch ich würde mir wünschen, auch mit anderen Partnern so entspannt und zielorientiert an einer Problemlösung arbeiten zu können wie mit Luxemburg.“ Ganz entspannt und zielorientiert mit Schwarzen Listen drohen? Das ist offensichtlich schon wieder Schnee von gestern.
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