Ökobilanz von Biokraftstoffen: Mehr Risiken als Chancen
Mit einem Ölpreis von über 100 Dollar pro Barrel weist die Nachfrage nach Biomasse als Energieträger steil nach oben. Doch wie eine Anhörung der Bundestagsausschüsse für Entwicklungszusammenarbeit, Landwirtschaft und Umwelt am Mittwochnachmittag erbrachte, ist die Ökobilanz der sog. Biokraftstoffen höchst durchwachsen. Nach Prognosen der Welternährungsorganisation (FAO) wird die Weltbevölkerung bis 2050 um drei Milliarden Menschen wachsen. Der Zuwachs werde in den Entwicklungsländern stattfinden und zu 90% städtische Gebiete betreffen. Gleichzeitig sei mit veränderten Konsumgewohnheiten zu rechnen - hin zu mehr Fleischnachfrage. Diese Entwicklung wirft neue Fragen auf, wie bei gleichzeitigem Mehrbedarf an Energie die Nahrungsmittelsicherheit gewährleistet werden kann, sagte Alexander Müller von der FAO. Die Landwirtschaft wird laut Müller an die Grenzen der Verfügbarkeit von Land und Wasser stoßen. So steige der Wasserverbrauch bei Fleischproduktion um ein Vielfaches im Vergleich zur Pflanzenproduktion. Um ein Kilogramm Rindfleisch herzustellen, seien 15.000 Liter Wasser nötig, so Müller, der eine internationale Bioenergiecharta forderte.
Dies unterstützte auch Jürgen Maier (Forum Umwelt & Entwicklung), der gleichzeitig "grundsätzliche Bedenken" gegen die Zertifizierung von Biokraftstoffen äußerte. Freiwillige Standards seien keine Lösung. Nötig seien politische Vorgaben, die eine ökologische und soziale Regulierung der Bioenergienutzung fördern. So sollte die nachhaltigste und effizienteste Verwendung am stärksten unterstützt werden. Wenig Sinn mache etwa, wenn die EU-Richtlinie, wonach zehn Prozent des Endenergieverbrauchs im Verkehrssektor durch erneuerbare Energien erbracht werden sollen, vor allem durch den Einsatz von Biodiesel oder Ethanol erfüllt werde. Es gebe ökologisch viel effizientere Lösungen.
Scharfe Kritik übte Georg Gruber vom Bundesverband Pflanzenöle an dem Biokraftstoffquotengesetz, das die Beimengung von Biokraftstoffen vorsieht. Dieses Gesetz werde zum Problem für den Regenwald und die Artenvielfalt, so Gruber. Es übe großen Druck auf die Flächenmärkte aus. Die gewaltigen Gewinne, die sich derzeit damit erwirtschaften ließen, lockten Banken und Großinvestoren an, was wiederum die Entstehung von Monokulturen begünstige und zu sozialen Konflikten in den Entwicklungsländern führe. Die handwerklichen Fehler in der Gesetzgebung seien nicht durch die Zertifizierung in den Griff zu bekommen.
Norbert Rieder vom Zoologischen Institut der Universität Karlsruhe bezeichnete den Import von Biokraftstoffen als "ökonomischen und ökologischen Blödsinn". Es mache keinen Sinn, Biokraftstoffe aus Indonesien zu importieren, wenn in dortigen Motoren fossile Kraftstoffe zum Einsatz kämen. Mindestens ein Transportweg sei hier überflüssig und für die CO2-Bilanz negativ. Die Beimengungspolitik nannte Rieder scheinheilig. In der Frage der Standards für die Artenvielfalt mahnte Rieder: "Was wir weltweit fordern, müssen wir auch in Deutschland tun." Ein Zertifizierungssystem sei notwendig, es müsse aber praktikabel sein und deswegen nur die notwendigsten Punkte enthalten wie Nachhaltigkeit der Produktion, Teilhabe der Bevölkerung in den Entwicklungsländern an den Kapitalerträgen, Klimaschutz und Erhalt der Artenvielfalt. Auch Uwe Fritsche vom Institut für angewandte Ökologie forderte verbindliche Nachhaltigkeitskriterien. Sie müssten aber unbedingt von bilateralen und projektbezogenen Vereinbarungen flankiert werden. Kurzfristig sollten internationale verpflichtende Standards vereinbart werden. Martin Faulstich vom Sachverständigenrat für Umweltfragen sprach sich für stärkere Nutzung und Förderung von Biomasse bei der Erzeugung von Wärme und Strom, statt für die Produktion von Biodiesel oder Ethanol aus, weil dies deutlich effizienter sei.
Arnoldo Campos vom brasilianischen Agrarentwicklungsministerium stellte das brasilianische Biodieselprogramm vor. Es fördere gezielt Kleinbetriebe, die etwa 30% der Produktion lieferten. Die Regierung fördere auch besonders arme Regionen des Landes. Darüber hinaus habe Brasilien seit 2003 große Anstrengungen unternommen, um die Abholzung der Regenwälder zu verringern. Sie wolle auch Schluss machen mit der illegalen Abholzung. Dies sei ein riesiges Problem in Indonesien, beklagte Willie Smits von der deutschen Sektion der Borneo Orang utan Survival Foundation, einer Organisation zum Schutz der vom Aussterben bedrohten Affen. 80% der indonesischen Palmölplantagen würden auf Urwaldböden etabliert, obwohl diese Böden dafür nicht geeignet seien und es bessere Alternativen gäbe. Es gehe aber primär um Gewinne der Holzwirtschaft.
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