Multiples Desaster: Good bye G20!
Unmittelbar nach dem Gipfel setzte dessen mediale und politische Auswertung
ein. Vieles ist dabei geschrieben worden. Wenig davon ist zitierbar. Lesenswert
ist wie so oft Heribert Prantl von der Süddeutschen Zeitung. Er schreibt: „Die Taktik der Hamburger Polizei war so von gestern
wie die Politik von Trump. Friedliche G-20-Kritiker wurden teilweise in einen
Topf geworfen mit den gewalttätigen Volldeppen vom Schwarzen Block. So wird
berechtigter Protest angeschwärzt…Bei sogenannten Großlagen muss die Polizei
zweierlei schaffen: Sie muss Gewalttätigkeiten verhindern und sie muss das
Demonstrationsgrundrecht schützen. In Hamburg, beim G 20-Gipfel, hat sie leider
beides nicht geschafft. Sie hat Gewalttätigkeiten nicht verhindert und sie hat
das Demonstrationsgrundrecht nicht geschützt. Die vergangenen Hamburger Tage
waren daher ein doppeltes Desaster; die politischen Ergebnisse des Gipfels sind
da noch nicht eingerechnet.“
Vor allem an einer substanziellen Analyse der inhaltlichen Gipfelergebnisse
mangelt es erheblich. Einige meinen sogar, man könne den Gipfel nicht einfach
als „Fehlschlag“ abtun, so der Korrespondent der FAZ Klaus-Dieter Frankenberger. Schließlich verabschiedete der
Gipfel ein gemeinsames Communiqué mit Kompromissformulierungen zum
internationalen Handel und einem Dissens in der Klimapolitik. Doch wie tief
muss die G20 als „wichtigstes Forum der internationalen wirtschaftlichen
Zusammenarbeit“ gesunken sein, wenn allein das Zustandekommen eines gemeinsamen
Communiqués als Erfolg gepriesen wird. Und wie tief müssen die Erwartungen
geschraubt worden sein, wenn die Umweltorganisationen die Bekräftigung des
Pariser Klimaabkommens durch 19 G20-Länder als Erfolg feiern (während der
Austritt der USA aus dem Abkommen lapidar zur Kenntnis genommen wird und die
Türkei ihre Unterstützung schon wieder infrage stellt).
Eine der
wenigen realistischen Bewertungen des Gipfels stammt erstaunlicherweise vom
ehemaligen US-Finanzminister Lawrence Summers: „Rather than seeing agreement as
an achievement, it is more accurate to see the content of the communiqué as a
confirmation of the breakdown of international order that many have feared
since the election of Donald Trump”, schreibt er heute in der Financial Times. Das ist nicht nur
ein weiterer Blick auf die G20, sondern auch ein realistischerer. Schließlich
war G20 einst ins Leben gerufen worden durch den politischen Willen, gemeinsam
und energisch die Weltgemeinschaft vor den Konsequenzen und Risiken der
globalen Finanzkrise zu retten. Angesichts der eskalierenden Ungleichheit
sowohl zwischen als auch innerhalb der Länder wäre eine ähnliche Anstrengung
heute wieder erforderlich. Doch von solchem Schwung war in Hamburg nichts zu
sehen, während die Reformierung der internationalen Finanzarchitektur – der Gründungsimpuls
der G20 – inzwischen völlig an den Rand gedrückt ist.
Auch in Hamburg ist wieder viel Papier beschrieben worden, neben dem Gemeinsamen Communiqué 14 Anhangstexte, von denen wiederum höchstens drei als einigermaßen neu qualifiziert werden können: der Aktionsplan zu den Abfällen im Meer, die sog. Partnerschaft mit Afrika und die Fazilität zur Unterstützung von Unternehmerinnen. Hinzu kommen Vorhaben zur Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen (AMR). Auffallendstes Merkmal bei vielen dieser Initiativen ist, dass weitere Verantwortung vom Staat auf den privaten Sektor übertragen wird. In weiteren, etwa Gesundheitsfragen, wird wenigstens zur Stärkung von UN-Institutionen, vor allem der WHO, aufgerufen. In beiderlei Hinsicht könnte ein Resümee also lauten: Good bye G20! Die Frage ist nur: Bis Argentinien 2018 oder: Adieu für immer.
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