23. November 2016

G20: Herausforderung Handel

Seit ihrer Gründung auf Gipfelebene im Jahre 2008 ruft die G20 in ihren Kommuniqués regelmäßig dazu auf, keine neuen Handels- und Investitionsschranken zu errichten. Ebenso regelmäßig erfolgt das Gelöbnis, die Doha-Entwicklungsrunde der Welthandelsorganisation (WTO) nunmehr bald zum Abschluss zu bringen. Dennoch bleibt die Anzahl der handelsbeschränkenden Maßnahmen „beängstigend hoch angesichts der anhaltenden globalen wirtschaftlichen Unsicherheit und der Korrektur der WTO-Handelsprognose nach unten, beim Güterhandel in 2016 von 2,8% auf nunmehr 1,7%“, so der neueste Bericht von WTO, OECD und UNCTAD über Handels- und Investitionsmaßnahmen der G20. Und in der Doha-Runde blockieren die wichtigsten Industrieländer unter Führung der USA nicht nur jeden Fortschritt, sondern würden die Runde am liebsten ganz einstellen.


Dies liest sich so, als sei der um sich greifende Protektionismus die Hauptursache für den rückläufigen Welthandel. Sollte der designierte US-Präsident Trump seine Wahlkampfankündigungen wahr machen, so geht die Erzählung aktuell weiter, könnte dies nicht nur zu einer Verschärfung des Protektionismus-Problems innerhalb der G20 führen, sondern auch der Doha-Runde endgültig den Garaus machen, von der Beerdigung des Transpazifischen Partnerschaftsabkommens (TPPA) und der TTIP-Verhandlungen einmal ganz abgesehen. Allerdings hat der Trend zum Protektionismus schon länger eingesetzt. Seit 2008 zählten die erwähnten internationalen Organisationen 1671 handelsbeschränkende Maßnahmen, von denen bis Mitte Oktober 2016 lediglich 408 wieder zurückgenommen worden waren. Auch hat sich seither das Verhältnis zwischen Handel und Produktion im Vergleich zu den Jahrzehnten vor der großen Finanzkrise deutlich umgekehrt: Seit 2010 ist der Welthandel um kaum 2% pro Jahr gewachsen, während die globale Produktion von Waren und Dienstleistungen um durchschnittlich 3% wuchs. Bis dahin war es genau andersherum: Die Expansion des Welthandels übertraf das Wachstum des globalen Outputs zumeist um das Doppelte.

Dennoch ist die Verlangsamung des Welthandels eine Folge der Verlangsamung des Output-Wachstums und nicht umgekehrt. Dies ist besonders offensichtlich im Falle der realen Investitionsausgaben, auch der grenzüberschreitenden Direktinvestitionen, die seit der Finanzkrise besonders stark gefallen sind. Verantwortlich ist hier insbesondere das ungebrochene Primat für Finanzinvestitionen (>>> Transformation in struktureller Abhängigkeit). Paradoxerweise stellt der zitierte Bericht über Handels- und Investitionsmaßnahmen für den Investitionsbereich eine Fortsetzung des Trends zur Liberalisierung fest: Sechs G20 Mitglieder führten Investitionserleichterungen ein; drei G20 griffen zu „regulatorischen oder restriktiven Maßnahmen“, wobei nicht ganz klar ist, warum Regulierungsbestimmungen automatisch als Investitionshindernisse gewertet werden.

Neben dem Rückgang des Wachstums generell (Stichwort: säkulare Stagnation) ist das langsamere Wachstum insbesondere eine Folge der wirtschaftlichen Entschleunigung in China und des Umstands, dass der Ausbau der Wertschöpfungsketten (die durch den Komponentenhandel ein starker Faktor des schnellen Welthandelswachstums waren) allmählich an Grenzen stößt. Beides – China und die internationale Arbeitsteilung im Rahmen von Lieferketten – sind bezeichnenderweise die Lieblingszielscheiben der Trump‘schen Handelspropaganda. Dass jedoch durch neue Strafzölle gegen China und Mexiko Arbeitsplätze in die USA zurückkommen würden, kann schon jetzt in den Bereich der Legenden verwiesen werden.

Aus all dem ist der Schluss zu ziehen: Weder führt mehr Protektionismus zu mehr Produktion im Inland, noch ziehen weniger restriktive Bedingungen im Investitionsbereich zwangsläufig höhere Investitionen nach sich. Für die G20 auf Gipfelebene mit Trump am Tisch dürfte das Handelsthema in der Zukunft dennoch zu einer größeren Herausforderung als bisher werden. Dies umso mehr, wenn von anderer Seite mit Vorstellungen zu einer Reform der Welthandelsordnung nach den Prinzipien der nachhaltigen Entwicklung (>>> Die G20 und die Zukunft des Welthandelssystems) Ernst gemacht werden sollte. Schließlich will Trump die Wirtschaft nicht nur mit mehr Protektionismus, sondern auch mit weniger Umweltschutz ankurbeln. Ein Zusammenprall zweier Welten wäre dann wohl unausweichlich.

Keine Kommentare: