G20: Herausforderung Handel
Seit ihrer Gründung auf Gipfelebene im Jahre 2008 ruft die G20 in ihren
Kommuniqués regelmäßig dazu auf, keine neuen Handels- und Investitionsschranken
zu errichten. Ebenso regelmäßig erfolgt das Gelöbnis, die
Doha-Entwicklungsrunde der Welthandelsorganisation (WTO) nunmehr bald zum
Abschluss zu bringen. Dennoch bleibt die Anzahl der handelsbeschränkenden
Maßnahmen „beängstigend hoch angesichts der anhaltenden globalen wirtschaftlichen
Unsicherheit und der Korrektur der WTO-Handelsprognose nach unten, beim
Güterhandel in 2016 von 2,8% auf nunmehr 1,7%“, so der neueste Bericht von WTO, OECD und UNCTAD über
Handels- und Investitionsmaßnahmen der G20. Und in der Doha-Runde blockieren
die wichtigsten Industrieländer unter Führung der USA nicht nur jeden
Fortschritt, sondern würden die Runde am liebsten ganz einstellen.
Dies liest sich so, als sei der um sich greifende
Protektionismus die Hauptursache für den rückläufigen Welthandel. Sollte der
designierte US-Präsident Trump seine Wahlkampfankündigungen wahr machen, so
geht die Erzählung aktuell weiter, könnte dies nicht nur zu einer Verschärfung
des Protektionismus-Problems innerhalb der G20 führen, sondern auch der
Doha-Runde endgültig den Garaus machen, von der Beerdigung des Transpazifischen
Partnerschaftsabkommens (TPPA) und der TTIP-Verhandlungen einmal ganz
abgesehen. Allerdings hat der Trend zum Protektionismus schon länger eingesetzt.
Seit 2008 zählten die erwähnten internationalen Organisationen 1671
handelsbeschränkende Maßnahmen, von denen bis Mitte Oktober 2016 lediglich 408
wieder zurückgenommen worden waren. Auch hat sich seither das Verhältnis
zwischen Handel und Produktion im Vergleich zu den Jahrzehnten vor der großen
Finanzkrise deutlich umgekehrt: Seit 2010 ist der Welthandel um kaum 2% pro
Jahr gewachsen, während die globale Produktion von Waren und Dienstleistungen
um durchschnittlich 3% wuchs. Bis dahin war es genau andersherum: Die Expansion
des Welthandels übertraf das Wachstum des globalen Outputs zumeist um das
Doppelte.
Dennoch ist die Verlangsamung des Welthandels eine Folge der
Verlangsamung des Output-Wachstums und nicht umgekehrt. Dies ist besonders
offensichtlich im Falle der realen Investitionsausgaben, auch der
grenzüberschreitenden Direktinvestitionen, die seit der Finanzkrise besonders
stark gefallen sind. Verantwortlich ist hier insbesondere das ungebrochene
Primat für Finanzinvestitionen (>>> Transformation in struktureller Abhängigkeit). Paradoxerweise stellt der
zitierte Bericht über Handels- und Investitionsmaßnahmen für den
Investitionsbereich eine Fortsetzung des Trends zur Liberalisierung fest: Sechs
G20 Mitglieder führten Investitionserleichterungen ein; drei G20 griffen zu „regulatorischen
oder restriktiven Maßnahmen“, wobei nicht ganz klar ist, warum
Regulierungsbestimmungen automatisch als Investitionshindernisse gewertet
werden.
Neben dem Rückgang des Wachstums generell (Stichwort: säkulare
Stagnation) ist das langsamere Wachstum insbesondere eine Folge der
wirtschaftlichen Entschleunigung in China und des Umstands, dass der Ausbau der
Wertschöpfungsketten (die durch den Komponentenhandel ein starker Faktor des
schnellen Welthandelswachstums waren) allmählich an Grenzen stößt. Beides –
China und die internationale Arbeitsteilung im Rahmen von Lieferketten – sind bezeichnenderweise
die Lieblingszielscheiben der Trump‘schen Handelspropaganda. Dass jedoch durch neue
Strafzölle gegen China und Mexiko Arbeitsplätze in die USA zurückkommen würden,
kann schon jetzt in den Bereich der Legenden verwiesen werden.
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