IWF/Weltbank-Jahrestagung: Erkenntnisse ohne viele Konsequenzen
Wie in vielen Jahren zuvor habe ich dem Neuen
Deutschland auch in diesem Jahr ein Interview im Vorfeld der Jahrestagung von
IWF und Weltbank gegeben, die derzeit in Washington DJ stattfindet. Das Interview hat folgenden Wortlaut:
ND: Der
Schuldenreport 2016 führt 108 Staaten auf, die sich in einer kritischen
Schuldensituation befinden. Hat der Internationale Währungsfonds (IWF) diese
Problematik auf dem Schirm? Zu hören ist immer nur wieder, dass aus Sicht des
IWF für Griechenland ein neuer Schuldenerlass unumgänglich ist.
Rainer Falk: Ja.
Der IWF beobachtet das sehr wohl und sieht auch wachsende Probleme auf die
Entwicklungsländer – vor allen Dingen auf die Schwellenländer – zukommen. Die
Verschuldung ist insbesondere im Bereich des Privatsektors in diesen Ländern
enorm gestiegen. Allerdings beschränkt sich der IWF bislang auf eine
Problembeschreibung und auf Warnungen. Vor allen Dingen die Hauptanteilseigner
des IWF, wie die USA, die EU-Staaten oder Japan, machen keine Anstalten, aus diesen
drohenden neuen Risiken politische Konsequenzen ziehen. So fehlt nach wie vor
ein praktikables und gerechtes System der Entschuldung bei Fällen von
Staateninsolvenz, wie es die Nichtregierungsorganisationen seit Langem fordern,
inzwischen aber auch Regierungsorganisationen wie die Konferenz der Vereinten
Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) oder die Gruppe der 77 Schwellen-
und Entwicklungsländer, die inzwischen 134 Mitglieder hat.
Ein staatliches
Insolvenzrecht ist beim IWF kein Thema, obwohl bereits 2001 die damalige stellvertretende
Chefin des IWF, Anne Krueger, eine Initiative dafür gestartet hat?
Ja. Die Diskussion darüber ist im Moment zwar nicht ganz
tot, aber die damalige Initiative wurde durch die US-Regierung gekippt.
Interessanterweise gibt es innerhalb der Gruppe der 20 wichtigsten Industrie-
und Schwellenländer (G20) die Diskussion, ob man nicht zu einem staatlichen Insolvenzverfahren
kommen muss. Es gab ganz zaghafte Bemühungen auf dem letzten G20-Gipfel in
China, das Thema anzusprechen. Aber da ist wohl noch eine lange Strecke des
Wegs zu gehen.
Bei vielen kritisch
verschuldeten Staaten handelt es sich um rohstoffabhängige Ökonomien. Sie
leiden im Moment bereits unter dem Rohstoffpreisverfall. Hinzu kommt, dass ihre
Auslandsschulden meist in Dollar denominiert sind und jeder Zinsanstieg in den
USA die Schuldenlast damit real aufwerten würde. Ist eine Zinswende bei der
US-amerikanischen Notenbank FED in Sicht?
Ob eine richtige Zinswende kommt, ist fraglich. Die FED ist
auf der einen Seite sehr vorsichtig, angesichts der schlechten Konjunkturzahlen
auch in den USA. Andererseits hat die FED sich inzwischen aber mindestens so
weit aus dem Fenster gelehnt, dass gegen Ende des Jahres ein weiterer
Zinsschritt erfolgen dürfte: nämlich 0,25 Prozent nach oben. Für die
Entwicklungsländer hat allein die Debatte darüber schon negative Folgen: Seit
Mitte 2015 ist ein negativer Kapitalfluss bei den großen Schwellenländern zu
verzeichnen. Das heißt, es fließt mehr Kapital ab als in diese Länder hinein.
Und das verstärkt die Finanzengpässe in diesen Regionen, erhöht das Risiko der
Überschuldung.
IWF-Chefin Christine
Lagarde hat vor einer zunehmenden Anti-Freihandelsstimmung gewarnt. Seit dem
Zweiten Weltkrieg sei der Handel der Motor des globalen Wachstums gewesen und
sein Volumen sei bis zur Finanzkrise 2008 doppelt so schnell gewachsen wie die
Weltwirtschaft selbst. Seitdem aber bliebe das Wachstum des Handels sogar
hinter dem Wirtschaftswachstum zurück. Ist das eine zutreffende Einschätzung?
Teils, teils. Es ist richtig, dass sich das Verhältnis
zwischen Wachstum des Sozialprodukts weltweit und Wachstum des Welthandels
mindestens angeglichen, wenn nicht umgedreht hat seit der Finanzkrise. Seither
wächst der Welthandel teilweise weniger schnell als das globale
Bruttoinlandsprodukt. Richtig ist auch, dass in letzter Zeit immer mehr
Attacken auf die internationale Handelsintegration von rechts erfolgen, seien
es die Tiraden von Donald Trump oder Marine Le Pen oder das Votum für den
Brexit, das eine Kritik an Art und Weise der EU-Integration darstellt.
Traditionell werden die Auswüchse der Globalisierung ja eher von links
kritisiert.
Lagarde liegt jedoch nicht richtig, dass der Welthandel per
se ein Motor für die weltweite Konjunktur ist oder war. Der Welthandel ist
vielmehr Ausdruck einer starken Konjunktur in den einzelnen Ökonomien, und sein
Rückgang hat sehr viel mit mangelnder aggregierter Nachfrage im Weltmaßstab zu
tun. Es käme also darauf an, die Konjunkturen international koordiniert zu
stimulieren, dann würde es auch wieder zu stärkerem Welthandelswachstum kommen.
So herum wird ein Schuh daraus. Welthandel entsteht ja nicht aus dem Nichts.
Eine Stimulierung der
dümpelnden Weltwirtschaft hat auch Lagarde im Sinn. Sie fordert öffentliche
Investitionen von Ländern, die fiskalischen Spielraum haben. Sie nennt
ausdrücklich Deutschland, Kanada und Südkorea. Andere Länder könnten ihre öffentlichen
Haushalte umwidmen, um mehr Geld für Investitionen freizubekommen. Solche
Programme würden umso stärker wirken, wenn sie von einer lockeren Geldpolitik
begleitet würden. Sinnvolle Vorschläge?
Richtig ist, dass die internationale Geldpolitik der
Zentralbanken inzwischen an ihre Grenzen gestoßen ist. Das Fluten der Märkte
mit billigem Geld war jedoch nur ein Platzhalter für die politische Unfähigkeit
der Staaten, die Konjunktur koordiniert anzukurbeln. Insofern ist es
interessant, dass jetzt beim IWF immer mehr kritische Stimmen laut werden, die
die Austeritätspolitik infrage stellen und eine aktive Fiskalpolitik fordern.
Das läuft völlig dem Dogma der Schwarzen Null zuwider, wie es allen voran von
Deutschland gepredigt wird.
Was macht die kleine Schwester
des Internationalen Währungsfonds, die Weltbank? Der Chef Jim Yong Kim wurde
gerade wiedergewählt.
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