CETA und die Crux der neuen Handelsabkommen
Da habt Ihr den Salat. Es scheint, als hätten die Wallonen CETA den letzten
Sargnagel verpasst. Doch nicht die Wallonen sind das Problem, sondern das
Abkommen selbst. Wallonien hat das Abkommen erstmals im April per
Parlamentsabstimmung zurückgewiesen. Doch arrogant wie üblich tat die
Kommission das Votum als lokales Problem ab, das sich schon irgendwie lösen
werde. Es folgten drei weitere negative Voten des wallonischen Parlaments
(sowie eine ebenso negative Abstimmung der Region Brüssel). Doch erst seit
Anfang dieser Woche war den europäischen Spitzen so richtig klar, dass Belgien
nicht unterzeichnen könne, wenn nicht alle seine Regionen zustimmen. Ab da
wurde versucht, die Wallonen mit „Nachbesserungen“ umzustimmen. Bis heute
(Morgen) vergeblich.
Allenthalben lautet die Sprachregelung, dass hier ein „Freihandelsabkommen“
auf Widerstand stößt. Aber CETA heißt nicht von ungefähr CETA: Comprehensive
Economic and Trade Agreement, also Umfassendes Wirtschafts- und
Handelsabkommen. Es gehört wie TTIP und TPPA zu jener neuen Generation von
Handelsabkommen, die mit Freihandel nur noch unter „ferner liefen“ zu tun
haben, sondern dessen wichtigste Bestimmungen sich um grenzüberschreitende Investitionen
drehen. Seit der Warenhandel im Zuge der diversen GATT-Runden und der WTO
weitgehend liberalisiert ist, sind die Handelspolitiker darauf verfallen,
weitere Bereiche der internationalen wirtschaftlichen Expansion einfach der
Handelspolitik zuzuschlagen. Das rächt sich nicht erst seit CETA zwischen den
EU und Kanada. Das ging schon beim Versuch eines Multilateralen
Investitionsabkommens (MAI) innerhalb der OECD schief oder bei dem Versuch, die
sog. Singapurthemen (Investitionen, Wettbewerb, Staatsaufträge) in die sog. Doha-Entwicklungsagenda
der WTO zu schmuggeln.
Sicher – es geht bei CETA auch um die Reduzierung einiger
Agrarzölle, etwa auf Ahornsirup. Doch ökonomisch und politisch entscheidend ist
der Versuch, ein System von Schiedsgerichten für Investitionsstreitigkeiten zu
schaffen, das völlig losgelöst von den nationalen Rechtssystemen agiert. Zwar
sollen dies unter CETA jetzt öffentliche Schiedsgerichte und keine privaten
Gremien sein, die von privaten, von den Konzernen bestellten Rechtsanwälten gestellt
werden. Doch es bleibt dabei, dass neben den nationalen Rechtssystemen ein
separates rechtliches Paralleluniversum entstehen wird, wenn CETA abgeschlossen
wird. Dagegen richtet sich der Protest (nicht nur) der Wallonen und der dort
regierenden Sozialisten – eine der wenigen sozialdemokratischen Parteien
übrigens, die erkannt haben, dass den konservativen und sozialdemokratischen
Parteien allenthalben auch deshalb die WählerInnen weglaufen, weil sie ihr
Schicksal an diese neuen Handelsabkommen knüpfen.
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