G20-Finanzminister in Ankara: Tendence tristesse
Die Gruppe der 20 (Industrie-
und Schwellenländer) hat viele Probleme. Eines der größeren besteht darin, dass
ihren vollmundigen und rosaroten Ankündigungen immer weniger Taten folgen. Auf
dem heute in Ankara beginnenden Treffen der Finanzminister und
Zentralbankpräsidenten wird dies besonders deutlich werden. Auf ihrem letzten
Gipfeltreffen im vergangenen November in Brisbane/Australien hat die Gruppe
großspurig verkündet, dass über 800 sog. Strukturreformen das globale Wachstum
in den nächsten fünf Jahren um zusätzliche 2% nach oben gedrückt werden soll.
Doch das Gegenteil ist der Fall: Während sich das Wachstum in den
Schwellenländern größtenteils dramatisch verlangsamt hat, läuft es in den alten
Industrieländern bestenfalls in einem moderaten Tempo.
Dabei
ist die Wachstumsschwäche nur ein Beispiel für die zunehmende Ineffizienz der
G20-Beschlüsse. Wie das G20-Informationszentrum an der Universität Toronto
ermittelt hat, ist die Bilanz der G20, was die Umsetzung ihrer Ankündigungen
betrifft, allenfalls lückenhaft. So liegt die „Compliance“-Rate der G20-Länder
bei den Selbstverpflichtungen seit dem Brisbane-Gipfel nur bei 63%.
Einen
noch schwierigeren Hintergrund des Finanzministertreffens zeichnet die Note on Global Prospectives and Policy Challenges, die der IWF traditionsgemäß in Vorfeld der Zusammenkunft
herausgebracht hat. Darin warnt der Fonds die führenden Länder vor verfrühten
Zinserhöhungen und fordert dazu auf, sich gegen ein weiteres Abgleiten des globalen
Wachstums, das im ersten Halbjahr unter dem des zweiten Halbjahrs 2014 gelegen
hat, zu stemmen. Alle aktuellen weltwirtschaftlichen Risiken weisen nach unten:
die Begleiterscheinungen des Übergangs zu einem neuen, stärker binnengestützten
Wachstumsmodell in China, der Rückgang der Rohstoffpreise, die Umkehr der externen
Kapitalflüsse in den Schwellenländern (auch wegen der möglichen Zinserhöhungen
in den USA) und die Volatilität bei den Anlagepreisen. Sollten sich diese
Risiken gleichzeitig materialisieren, müsste der Fonds seine Prognosen noch ein
weiteres Mal nach unten korrigieren.
Es
fragt sich nur, wie dies zu verhindern wäre. Der IWF singt hier das alte Lied
von den „Strukturreformen“, also mehr von derselben Medizin, die schon bisher
nicht geholfen hat. Zentral dabei sind sog. Arbeitsmarktreformen, sprich die
Steigerung der Nachfrage nach Arbeitskraft und die Beseitigung von Beschäftigungshindernissen,
also weitere Absenkung der Arbeitskosten und noch mehr Deregulierung beim
Arbeitsschutz - keine originelle Linie, aber sicherlich mehr Tristesse für die
Mehrheit der Bevölkerung.
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