Griechisches Drama: Mehr als Bad Economics
Eine weitere Woche
im griechischen Drama liegt hinter uns. Sollte wirklich jemand gedacht haben,
die IWF/Weltbank-Frühjahrstagung am letzten Wochenende würde etwas
Erleichterung bringen, er wurde des Gegenteils belehrt: Die Lage im
Verhandlungspoker nach dem Washingtoner Treffen ist für Griechenland noch
schlimmer als zuvor. Die Verweigerung eines Entgegenkommens durch die Gläubiger
hat sich eher verhärtet; IWF-Chefin Lagarde verweigert Athen jedweden
Zahlungsaufschub; und die allgemeine Sicht des in Washington vereinigten
Finanzestablishments soll gewesen sein: Hier verweigert ein Problemkind aus
bloßem Trotz die Gefolgschaft bzw. die Einnahme einer bitteren, aber
notwendigen Medizin.
Doch
hinter der Standfestigkeit, mit der die Syriza-Regierung die Übernahme der gescheiterten
Rezepte der Troika-Institutionen zurückweist, steckt nicht Trotzigkeit eines missratenen
Kindes, sondern ein grundsätzlicher Gegensatz, was den weiteren Weg Griechenlands
und der Eurozone betrifft. Nicht nur, dass die geforderte Austeritätspolitik
nicht funktioniert und daher „bad economics“ ist, wie der griechische
Finanzminister Yanis Varoufakis jetzt noch einmal dargelegt hat (>>> A New Deal for Greece). Es
ist auch die grundlegende Richtung der politischen und gesellschaftlichen
Entwicklung, um die gekämpft wird. Nichts veranschaulicht das so sehr wie der
Umstand, dass ein zentraler Stolperstein der Verhandlungen die Forderung nach
einer weiteren „Liberalisierung der Arbeitsmärkte“ in Griechenland ist – als hätten
die Griechen in den letzten Jahren nicht mehr „Lohnflexibilität“ gezeigt als
irgendein anderes Volk!
Doch eben dieselbe Financial Times wartet derzeit immer wieder mit Beiträgen auf, die sich wohltuend von der deutschen Griechenlandhetze abheben. So wies am letzten Montag Wolfgang Münchau darauf hin, dass ein griechischer Default, also die Erklärung der Zahlungsunfähigkeit, nicht unbedingt identisch mit einem Grexit aus dem Euro sein muss. Denn nirgendwo in den so oft zitierten „Verträgen“ steht geschrieben, dass ein zahlungsunfähiges Mitglied den Euro verlassen muss (>>> A Greek default is necessary but Grexit is not). FT-Chefökonom Martin Wolf zählte am Mittwoch noch einmal die diversen Mythen auf, die jeden Verhandlungsfortschritt blockieren (>>> Mythology that blocks progress in Greece). Dazu gehören die in jüngster Zeit vor allem in Deutschland kultivierten Behauptungen, ein Grexit würde der Eurozone und Griechenland gleichermaßen helfen; aber auch die hartnäckigen Behauptungen des Stammtischs, alles sei Griechenlands Fehler, und das Land hätte bisher noch nichts getan. Heute schließlich warnt die FT-Finanzkorrespondentin in Washington, Gillian Tett, in der gewohnt eloquenten Art vor den unkalkulierbaren Konsequenzen eines Grexit für das globale Finanzsystem (>>> America fears a European sequel to Lehman). Auch in Bezug auf die Lehman-Pleite argumentierten viele, die Konsequenzen seien bereits „eingepreist“ und die Institutionen hätten alles unter Kontrolle. Doch bis heute sitzt das Erdbeben, das folgte, vielen Amerikanern in den Knochen. Wenn den Europäern die Erfahrung eines solchen Lehman-Moments fehlt – die Pleite Griechenlands könnte es ändern.
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