17. April 2015

Banal bis bemerkenswert: Durchwachsene Beobachtungen in Washington

Logo der Frühjahrstagung mit Weltbankchef Jim Kim
Die "neue" Weltbank-Strategie, mit der ihr Präsident Kim Yong Jim die extreme Armut auf dem Globus bis zum Jahr 2030 ausrotten will (s. auch vorstehenden Eintrag), ist ebenso enttäuschend wie banal: Enttäuschend, weil sie anzeigt, wie wenig von der wachstumskritischen Nachhaltigkeitsrhetorik übrig geblieben ist, die zur Wahl Kim Jims zitiert wurde. Banal, weil es nun wirklich nicht originell ist, wenn der Präsident das Motto seiner Strategie in den drei Worten „Wachsen, investieren, versichern“ zusammenfasst. Erstens müsse die landwirtschaftliche Produktivität steigen, zweitens die Infrastruktur aufgebaut werden, um den Zugang zu Energie und Märkten zu verbessern, drittens „müssen wir mehr und freieren Handel fördern“, viertens in Gesundheit und Bildung investieren und viertens gelte es, soziale Sicherheitsnetze zu schaffen, so Kim Jim am Vorabend der Frühjahrstagung der Weltbank und des IWF in Washington.

Daran ist keineswegs alles falsch, aber dies ist nun wirklich nicht mehr als das bekannte Konzept von Wachstum plus Freihandel mit einigen sozialen Garnierungen. Selbst Infrastruktur- und Investitionen in die Verbesserung des Gesundheits- und Bildungswesen sind hier untergeordnet und instrumentell auf mehr Wachstum ausgerichtet. Und soziale Sicherheitsnetze sollen nachsorgend diejenigen irgendwie auffangen, die vom Wachstum nichts abbekommen. Es ist schockierend, wenn das Internationale Konsortium für Investigativen Journalismus (ICIJ) gestern feststellte, dass rund 50% der Projekte der Weltbank sich nicht an deren eigene Sozial- und Umweltstandards halten. Doch das ist nur ein weiterer Beleg dafür, wie sehr auch unter dem jetzigen Weltbank-Präsidenten Rhetorik und Wirklichkeit auseinanderklaffen. Soll die Bank doch erstmal ihre eigenen Richtlinien umsetzen, bevor sie vollmundig neue Strategien verkündet!

Nicht alles freilich, was in Washington derzeit zum Besten gegeben wird, ist so banal. In die Kategorie „bemerkenswert“ gehört z.B. der neue Global Financial Stability Report des IWF. Der Bericht verweist u.a. darauf, dass die mit dem Bankensektor verbundenen Risiken infolge der verschiedenen regulatorischen Reform der letzten Zeit zwar zurück gegangen sind, aber um den Preis ihrer Verlagerung in den Nichtbanken-Sektor. Vor allem die Fondsindustrie hat seit der Finanzkrise extrem expandiert. So verwalten bzw. kaufen und verkaufen Fondsmanager heute Verbriefungen im Wert von 76 Billionen Dollar, 40% mehr als vor zehn Jahren. Der IWF glaubt, dass die Risiken für die globale Finanzstabilität infolge dieser Verlagerungen gewachsen sind, weil sich damit auch die Jagd nach Renditen in einen Sektor verlagert hat, der im Falle einer Krise durch Kapitalabzüge schnell in die Klemme geraten könnte. Eine andere Frage ist allerdings, ob die nun auch für den Fondssektor vorgeschlagenen Stresstests hier Abhilfe schaffen können.

Eine bemerkenswerte Liste der unerledigten Reformen im Finanzsektor hat zum Auftakt der Frühjahrstagung die Koalition New Rules for Global Finance in einem Offenen Brief an die Finanzminister und Zentralbankchefs der G20 vorgelegt. Als größte Lücken werden darin die immer noch ungelöste Too-Big-To-Fail-Problematik bezeichnet (der Konzentrationsgrad im Bankensektor ist heute höher als vor der Krise), sodann die mangelnden Strukturreformen im Finanzsektor (etwa die konsequente Trennung des Banken-Kerngeschäfts von marktgestützten Aktivitäten), die fehlende Zähmung des Schattenbanken-Sektors (auch dieser ist heute größer als vor der Krise) oder die fortgesetzte Untätigkeit gegenüber den privaten Rating-Agenturen (zu diesen Versäumnissen siehe auch: W&E-Hintergrund März-April 2015).


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