Banal bis bemerkenswert: Durchwachsene Beobachtungen in Washington
Logo der Frühjahrstagung mit Weltbankchef Jim Kim |
Die "neue" Weltbank-Strategie, mit der ihr
Präsident Kim Yong Jim die extreme Armut auf dem Globus bis zum Jahr 2030
ausrotten will (s. auch vorstehenden Eintrag), ist ebenso enttäuschend wie
banal: Enttäuschend, weil sie anzeigt, wie wenig von der wachstumskritischen
Nachhaltigkeitsrhetorik übrig geblieben ist, die zur Wahl Kim Jims zitiert
wurde. Banal, weil es nun wirklich nicht originell ist, wenn der Präsident das
Motto seiner Strategie in den drei Worten „Wachsen, investieren, versichern“
zusammenfasst. Erstens müsse die landwirtschaftliche Produktivität steigen,
zweitens die Infrastruktur aufgebaut werden, um den Zugang zu Energie und
Märkten zu verbessern, drittens „müssen wir mehr und freieren Handel fördern“,
viertens in Gesundheit und Bildung investieren und viertens gelte es, soziale
Sicherheitsnetze zu schaffen, so Kim Jim am Vorabend der Frühjahrstagung der
Weltbank und des IWF in Washington.
Daran
ist keineswegs alles falsch, aber dies ist nun wirklich nicht mehr als das
bekannte Konzept von Wachstum plus Freihandel mit einigen sozialen
Garnierungen. Selbst Infrastruktur- und Investitionen in die Verbesserung des
Gesundheits- und Bildungswesen sind hier untergeordnet und instrumentell auf
mehr Wachstum ausgerichtet. Und soziale Sicherheitsnetze sollen nachsorgend diejenigen
irgendwie auffangen, die vom Wachstum nichts abbekommen. Es ist schockierend,
wenn das Internationale Konsortium für Investigativen Journalismus (ICIJ) gestern feststellte, dass rund 50% der Projekte der
Weltbank sich nicht an deren eigene Sozial- und Umweltstandards halten. Doch
das ist nur ein weiterer Beleg dafür, wie sehr auch unter dem jetzigen
Weltbank-Präsidenten Rhetorik und Wirklichkeit auseinanderklaffen. Soll die
Bank doch erstmal ihre eigenen Richtlinien umsetzen, bevor sie vollmundig neue
Strategien verkündet!
Nicht
alles freilich, was in Washington derzeit zum Besten gegeben wird, ist so
banal. In die Kategorie „bemerkenswert“ gehört z.B. der neue Global Financial Stability Report des
IWF. Der Bericht verweist u.a. darauf, dass die mit dem Bankensektor
verbundenen Risiken infolge der verschiedenen regulatorischen Reform der
letzten Zeit zwar zurück gegangen sind, aber um den Preis ihrer Verlagerung in
den Nichtbanken-Sektor. Vor allem die Fondsindustrie hat seit der Finanzkrise
extrem expandiert. So verwalten bzw. kaufen und verkaufen Fondsmanager heute
Verbriefungen im Wert von 76 Billionen Dollar, 40% mehr als vor zehn Jahren.
Der IWF glaubt, dass die Risiken für die globale Finanzstabilität infolge
dieser Verlagerungen gewachsen sind, weil sich damit auch die Jagd nach
Renditen in einen Sektor verlagert hat, der im Falle einer Krise durch
Kapitalabzüge schnell in die Klemme geraten könnte. Eine andere Frage ist allerdings,
ob die nun auch für den Fondssektor vorgeschlagenen Stresstests hier Abhilfe
schaffen können.
Eine
bemerkenswerte Liste der unerledigten Reformen im Finanzsektor hat zum Auftakt
der Frühjahrstagung die Koalition New Rules for Global Finance in einem Offenen Brief an die Finanzminister und Zentralbankchefs der G20 vorgelegt. Als größte Lücken werden darin die
immer noch ungelöste Too-Big-To-Fail-Problematik bezeichnet (der
Konzentrationsgrad im Bankensektor ist heute höher als vor der Krise), sodann
die mangelnden Strukturreformen im Finanzsektor (etwa die konsequente Trennung
des Banken-Kerngeschäfts von marktgestützten Aktivitäten), die fehlende Zähmung
des Schattenbanken-Sektors (auch dieser ist heute größer als vor der Krise)
oder die fortgesetzte Untätigkeit gegenüber den privaten Rating-Agenturen (zu
diesen Versäumnissen siehe auch: W&E-Hintergrund März-April 2015).
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen