Nach dem Deal ist vor dem Deal: Griechenland im permanenten Verhandlungsmodus
Ist es nun „ein
Sieg für Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, der an Griechenland ein
Exempel statuieren wollte“, wie die taz schrieb, oder ein „bedeutender Rückzug“
der Eurogruppe, deren Austeritätsprogramm „politisch nicht länger durchsetzbar“
ist, wie Mark Weisbrot vom Center for Economic and Policy Research (CEPR) in
Washington meinte? Wahrscheinlich liegt die Wahrheit irgendwo zwischen diesen
beiden Polen. Der Deal, den Griechenland mit seinen Gläubigern über das
Wochenende erreicht hat, trägt alle Züge eines Interimsdeals: Einerseits
sichert die viermonatige Verlängerung des Bail-outs das Land vorerst vor dem
Default, der Zahlungsunfähigkeit, ab, andererseits bleibt das Schuldenproblem
grundsätzlich ungelöst. Einerseits ist es ein erster „Schritt, um Austerität,
Memoranda und die Troika hinter uns zu lassen“ (Tsipras), andererseits gehen
auch die Verhandlungen über die Konditionen, die mit der Offenhaltung des
Finanzhahns verknüpft sind, weiter.
Entscheidend
ist wohl, dass die beschlossene Verlängerung des Bail-outs der griechischen
Regierung unter zweierlei Hinsicht Luft verschafft, einmal zeitlich, zum
anderen auch inhaltlich. Das wichtigste Zugeständnis, das Athen der Eurogruppe
abringen konnte, ist ein Mehr an fiskalischer Flexibilität, die durch die
Herabsetzung des zu erwirtschaftenden Primärüberschusses (das ist der
Haushaltüberschuss vor Zinsen und Tilgung) von 4,5% auf ca. 1,5% symbolisiert
wird. Die von der griechischen Regierung formulierte „Reformliste“ legt den
Schwerpunkt interessanterweise auf mehr Einkommensgenerierung und nicht auf die
Fortsetzung der Streichungsmaßnahmen (wie im alten Programm). Im Zentrum steht
der Kampf gegen Korruption, Schmuggel, Steuerhinterziehung und Steuerflucht.
Dass
man jetzt in eine neue Phase der Verhandlungen eintritt, bedeutet auch, dass
von Athen bestenfalls ein Erfolg errungen wurde, aber kein Sieg. Bereits
vollzogene Privatisierungen sollen nicht angetastet werden, laufende
Privatisierungen im Einklang mit den Gesetzen abgewickelt werden und potentielle
weitere Privatisierungen im Lichte ihrer langfristigen Vorteilhaftigkeit für
die Ökonomie des Landes überprüft werden. Von größter Vagheit in der Liste sind
nach Ansicht von Analysten die Ausführungen zur Mehrwertsteuer, zur
Rentenerhöhung und zur Liberalisierung (sprich: Deregulierung) der
Arbeitsmärkte. Es ist bezeichnend, dass der Bedenkenträger-Brief des IWF zu dem
von den Europäern erreichten Deal diese Punkte „für die vielleicht wichtigsten“
hält und insgesamt „klare Versicherungen“ vermisst, „das die Regierung vor hat,
die im (existierenden Bail-out-) Memorandum vorgesehenen Reformen umzusetzen“. –
Das Tauziehen geht also weiter, und die entscheidenden Auseinandersetzungen
dürften noch folgen, spätestens dann wenn erneut die Frage eines weiteren Schuldenschnitts
auf den Tisch kommt, um den herum kein Weg führt – egal welche Regierung in Athen
residiert.
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IWF-Brief an die Eurogruppe >>> hier.
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EZB-Brief an die Eurogruppe >>> hier.
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