2. Februar 2015

Das Euro-Establishment bringt sich in Stellung

Von wegenVerantwortung Europas“! Brüsk hat das Euro-Establishment in der letzten Woche die Forderungen der neuen griechischen Regierung nach einer Schuldenreduktion und einer Beendigung der Spardiktate zurückgewiesen. Als besonders gnadenlos erwiesen sich dabei wieder einmal deutsche Politiker. Statt einmal zuzuhören, wird ein neuer Deal der Eurozone mit den Griechen von Merkel, Schäuble, Dijsselbloem, Gabriel, Kauder & Co. rundum abgelehnt. Zwei der von ihnen gebetsmühlenartig vorgetragenen „Argumente“ können als „weitgehend selbstgerechter Unsinn“ (Martin Wolf) qualifiziert werden; ein drittes ist schlicht abenteuerlich.


Die erste Position lautet: Die Griechen haben sich das Geld geborgt, also müssen sie es zurückzahlen. Das ist ungefähr die Position des mittelalterlichen Schuldturms. Korrekt indessen wäre anzuerkennen, dass auch die Gläubiger, die die Kredite bereitwillig gegeben haben, eine Verantwortung tragen. Sie wussten, welche klientelistischen Verhältnisse und welche Staatsführung unter den beiden abgewählten Parteien des griechischen Establishments bei den Hellenen Einzug gehalten hatten. Syriza ist nicht zuletzt angetreten, um diese Verhältnisse, die Vetternwirtschaft, die Korruption, die Steuerflucht, zu ändern. Dafür brauchen sie wesentlich mehr politischen Spielraum, als das Regime der Troika zulässt.

Die zweite – besonders zynische – Redeweise ist, dass sich die Eurozone und die Deutschen schon bisher äußerst großzügig gegenüber den Griechen verhalten haben. Das Gegenteil ist der Fall. Wohl ist das vor knapp drei Jahren von der EU, der EZB und dem IWF geschnürte Bail-out-Paket mit 226 Mrd. € besonders hoch. Dieses Geld macht zwei Drittel der öffentlichen Auslandsverschuldung Griechenlands aus, die sich inzwischen auf untragbare 175% des BIP beläuft. Doch davon flossen lediglich 11% in Athener Regierungsaktivitäten; weitere 16% gingen für Zinszahlungen drauf, und der Rest floss an die griechischen oder internationalen Banken, wie Martin Wolf vorgerechnet hat.

Eine dritte Argumentation geht so: Ein „Grexit“, also der erzwungene Austritt Griechenlands aus der Eurozone, wäre schlimm für Griechenland, verkraftbar für die Eurozone und belanglos für die Weltwirtschaft. Diese bei Merkel und Schäuble besonders beliebte Erzählung (aber auch Gabriel hält die Auswirkungen eines „Grexit“ für eindämmbar), ist gefährlich, ja geradezu abenteuerlich. In seiner heutigen Kolumne erinnert Wolfgang Münchau an die von den US-Politikern drastisch unterschätzten Konsequenzen der Lehman-Pleite im Jahr 2008. Wie die mutwillig in Kauf genommene Pleite der Lehman Brothers die US-Immobilienkrise schlagartig in eine globale Finanzkrise verwandelte und in der Großen Rezession endete, könnte die Griechenland-Pleite sehr wohl katastrophale Konsequenzen für die Eurozone und darüber hinaus die Weltwirtschaft insgesamt haben.

Die Wahl der Griechen hat deutlich gemacht, dass die Eurokrise längst nicht vorüber ist. Der neuen griechischen Regierung einen „neuen Vertrag“ (so Finanzminister Yanis Varoufakis) zu verweigern, könnte dazu führen, dass die Krise im Euroraum erst so richtig losgeht. Das Ende der Eurokrise wird erst kommen, wenn alle exzessiven Schulden abgeschrieben sind. – Das Euro-Establishment hat sich gegen die Logik einer Krisenlösung in Stellung gebracht. Doch auch die Stimmen der Vernunft nahmen zu in der letzten Woche: Ohne einen Schuldenschnitt für Griechenland „knallt es“ in der Eurozone, warnte der Berater Ban Ki-moons, Jeffrey Sachs. „Was Europa dringender braucht als Strukturreformen innerhalb der Mitgliedsstaaten ist eine Reform der Struktur der Eurozone selbst und eine Abkehr von der Sparpolitik, die wieder und wieder dabei gescheitert ist, das Wirtschaftswachstum neu zu beleben“, schrieb der Nobelpreisträger JosephStiglitz. Und bei Joschka Fischer lasen wir den für einen Grünen immer noch bemerkenswerten Satz: „Die Überwindung der Wachstumsschwäche in der Eurozone wird zu deren Schicksalsfrage.“

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