Das Euro-Establishment bringt sich in Stellung
Von wegen „Verantwortung Europas“! Brüsk hat das
Euro-Establishment in der letzten Woche die Forderungen der neuen griechischen
Regierung nach einer Schuldenreduktion und einer Beendigung der Spardiktate
zurückgewiesen. Als besonders gnadenlos erwiesen sich dabei wieder einmal
deutsche Politiker. Statt einmal zuzuhören, wird ein neuer Deal der Eurozone
mit den Griechen von Merkel, Schäuble, Dijsselbloem, Gabriel, Kauder & Co.
rundum abgelehnt. Zwei der von ihnen gebetsmühlenartig vorgetragenen „Argumente“
können als „weitgehend selbstgerechter Unsinn“ (Martin Wolf) qualifiziert werden; ein drittes ist schlicht
abenteuerlich.
Die
erste Position lautet: Die Griechen
haben sich das Geld geborgt, also müssen sie es zurückzahlen. Das ist ungefähr
die Position des mittelalterlichen Schuldturms. Korrekt indessen wäre
anzuerkennen, dass auch die Gläubiger, die die Kredite bereitwillig gegeben
haben, eine Verantwortung tragen. Sie wussten, welche klientelistischen
Verhältnisse und welche Staatsführung unter den beiden abgewählten Parteien des
griechischen Establishments bei den Hellenen Einzug gehalten hatten. Syriza ist
nicht zuletzt angetreten, um diese Verhältnisse, die Vetternwirtschaft, die
Korruption, die Steuerflucht, zu ändern. Dafür brauchen sie wesentlich mehr
politischen Spielraum, als das Regime der Troika zulässt.
Die
zweite – besonders zynische –
Redeweise ist, dass sich die Eurozone und die Deutschen schon bisher äußerst großzügig
gegenüber den Griechen verhalten haben. Das Gegenteil ist der Fall. Wohl ist
das vor knapp drei Jahren von der EU, der EZB und dem IWF geschnürte
Bail-out-Paket mit 226 Mrd. € besonders hoch. Dieses Geld macht zwei Drittel
der öffentlichen Auslandsverschuldung Griechenlands aus, die sich inzwischen auf
untragbare 175% des BIP beläuft. Doch davon flossen lediglich 11% in Athener Regierungsaktivitäten;
weitere 16% gingen für Zinszahlungen drauf, und der Rest floss an die
griechischen oder internationalen Banken, wie Martin Wolf vorgerechnet hat.
Eine
dritte Argumentation geht so: Ein „Grexit“,
also der erzwungene Austritt Griechenlands aus der Eurozone, wäre schlimm für
Griechenland, verkraftbar für die Eurozone und belanglos für die Weltwirtschaft.
Diese bei Merkel und Schäuble besonders beliebte Erzählung (aber auch Gabriel
hält die Auswirkungen eines „Grexit“ für eindämmbar), ist gefährlich, ja
geradezu abenteuerlich. In seiner heutigen Kolumne erinnert Wolfgang Münchau an die von den
US-Politikern drastisch unterschätzten Konsequenzen der Lehman-Pleite im Jahr
2008. Wie die mutwillig in Kauf genommene Pleite der Lehman Brothers die
US-Immobilienkrise schlagartig in eine globale Finanzkrise verwandelte und in
der Großen Rezession endete, könnte die Griechenland-Pleite sehr wohl
katastrophale Konsequenzen für die Eurozone und darüber hinaus die Weltwirtschaft
insgesamt haben.
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