G20-Finanzminister in Cairns: Beschleunigung oder Roll-back?
Dass von der australischen
G20-Präsidentschaft am anderen Ende der Welt nicht viel Schwung für den
G20-Prozess und die darin angestoßenen Reformen ausgehen wird, ist desöfteren
angemerkt worden. Das Treffen G20-Finanzminister und -Zentralbankchefs an
diesem Wochenende in Cairns/Australien könnte die vielleicht konkreteste
Nagelprobe für die Frage werden: Was dominiert die G20? Beschleunigung oder Rückschritt?
Über all dem zeigen sich zunehmende Spaltungslinien, die vor allem eine
konsequentere Reform des internationalen Finanzsystems – das Kerngebiet der
G20 – behindern.
Auf
Betreiben der globalen Wirtschafts- und Finanzlobby, die unter der Bezeichnung
B20 (Business 20) eine Art Schattenorgan hinter den G20 gebildet hat, wird der
Streitpunkt die Minister beschäftigen, ob nicht ein zusätzlicher Review-Prozess
notwendig ist, um die Folgen bisheriger und künftiger Finanzmarktregulierungen
für Wachstum und Arbeitsplätze abzuschätzen. Diese vom australischen
Finanzminister Joe Hockey unterstützte Initiierung zusätzlicher „impact
assessments“ ist der nur mühsam verschleierte Versuch, den Prozess der Reform
der internationalen Finanzordnung endgültig zu stoppen oder zurückzurollen. Er
wird deshalb auch von jenen, die in diesem Prozess relativ weiter als andere
fortgeschritten sind, etwa die USA, zurückgewiesen.
Das
Bild einer gespaltenen G20 zeigt sich auch auf dem Gebiet der Bekämpfung
aggressiver Steuervermeidung durch multinationale Konzerne, das im Zentrum der
Agenda in Cairns steht. Der in dieser Woche im Auftrag der G20 vorgelegte Bericht der OECD zu „base erosion and profit
shifting“ (BEPS) stellt zwar keine Verwässerung des ursprünglichen Auftrags dar
und bietet einige Fortschritte, z.B. beim Kampf gegen das „treaty shopping“ und
gegen Hybridstrukturen, mit denen die Konzerne Steuern möglichst dort anfallen
lassen können, wo sie niedrig oder sogar gleich Null sind. Doch das ist erst
ein Anfang.
Das
System der über 300 Doppelbesteuerungsabkommen sei inzwischen so effektiv,
merkt ein Video der OECD sarkastisch
an, dass die Vermeidung von Doppelbesteuerung oft zur Vermeidung von Besteuerung
überhaupt mutiert ist. Doch auch beim BEPS-Projekt der G20/OECD gibt es
Bereiche, die ausgespart werden müssen, weil einige Steuerparadiese Widerspruch
eingelegt haben; etwa bei der Beseitigung von Ausnahmeregelungen für Einkünfte
aus Patenten und intellektuellem Eigentum. Das ist Ländern wie Großbritannien,
Luxemburg, den Niederlanden und Spanien offensichtlich so wichtig, dass sie
sich querstellen. Doch ohne eine Regelung auf diesem Gebiet wird BEPS wenig
bringen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen