Absurdes Wachstumstheater in Cairns
Nichts scheint der
australischen G20-Präsidentschaft so wichtig wie mehr Wachstum. Doch je lauter
die Wachstumsrufe, desto düsterer die Wachstumsaussichten, so scheint es. Da
wird auf der einen Seite proklamiert, die Weltwirtschaft solle bis 2018
zusätzlich (d.h. über den aktuellen Wachstumspfad hinaus) um 1,8% wachsen. Auf
der anderen Seite korrigieren die relevanten internationalen Institutionen, wie
OECD und IWF, reihenweise ihre Wachstumsprognosen nach unten. Doch als sei
diese Realität nicht existent, wird weiter angekündigt, bei ihrem Gipfel im
November in Canberra wollten die G20 zusätzliche Maßnahmen beschließen, um doch
noch die zusätzlichen 2% Wachstum zu erreichen, die sich Australien zu Beginn
ihrer G20-Präsidentschaft auf die Fahnen geschrieben hat.
Selten
waren Ankündigung und Wirklichkeit weiter auseinander! Auch beim „Wie“ hapert
es. Der Wachstumsfetischismus soll durch „Strukturreformen“ befriedigt werden –
Konjunkturstimuli, die angesichts der drohenden Deflation in der Eurozone und
der abnehmenden Wachstumsraten in den Schwellenländern dringend notwendig
wären, kommen nicht in die Tüte. Und die lautstark gepriesene globale
Infrastrukturinitiative der G20 enthält erstens nur Maßnahmen, die ohnehin von
den Mitgliedsländern bereits geplant waren, und kapriziert sich – nicht zuletzt
auf deutsche Intervention hin – ganz auf den privaten Sektor, der auf
kurzfristige Gewinne aus und deshalb für langfristige Investitionen kaum
brauchbar ist.
Immerhin
hat das Treffen der Finanzminister erneut die Spaltung zwischen den USA und der
von Deutschland dominierten Eurozone in Konjunkturfragen deutlich gemacht. Dies
beinhaltet in Europa jetzt eine andere Konstellation als noch vor einem Jahr,
da mit Frankreich und Italien zwei wichtige Länder auf eine Lockerung der
Sparziele drängen. Völlig aus der Welt sind die G20-Finanzminister also nicht.
Und in ihrem gestern veröffentlichten Kommuniqué
heißt es immerhin: „Abwärtsrisiken halten an, darunter auf den Finanzmärkten
und aufgrund geopolitischer Spannungen. Die Weltwirtschaft sieht sich immer
noch einer anhaltenden Nachfrageschwäche gegenüber, und Zwänge auf der
Angebotsseite hemmen das Wachstum.“
Dennoch:
Der Wachstumsfetischismus von Cairns ist hohl; den wirklichen Risiken der
Weltwirtschaft wird er nicht gerecht. Auch nicht den neuen Gefahren, mit denen
die aufstrebenden Ökonomien im Süden konfrontiert sind. In ihrem jüngsten Vierteljahresbericht beispielsweise
warnt die Baseler Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), die „Mutter
aller Zentralbanken“, vor überraschendem Kapitalabzug aus den Schwellenländern
und vor neuer Währungsvolatilität. Diesen Problemen haben sich die G20 – bei allem
sonstigen Aktivismus – noch nicht einmal angenähert.
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