Wenn am
morgigen Freitag die Abgesandten der EU und Kanadas zu ihrem Gipfel im
kanadischen Ottawa zusammenkommen, wird ein Thema alles andere überragen: das
geplante und im Grunde genommen fertig ausgehandelte Freihandelsabkommen
zwischen der Europäischen Union und Kanada. Dass das globalisierungskritische
Netzwerk Attac nach wie vor strikt gegen das Abkommen ist („Es bleibt dabei:
CETA darf nicht unterzeichnet werden.“), nimmt nicht wunder. Doch auch die Bundesregierung könnte der
EU-Kommission noch einen Strich durch die Rechnung machen. Zwar hat
Wirtschaftsminister Gabriel kürzlich die parteiinternen Kritiker zur Ordnung
gerufen. Nach Informationen der taz jedoch sind ihm die
Investitionsschutzklauseln des Abkommensentwurfs nach wie vor ein Dorn im Auge.
Tatsächlich
strotzt der Vertragstext nur so vor unklaren Formulierungen, die viel Spielraum
für Interpretationen im Sinne der Konzerne lassen. Mit CETA würde eine
intransparente Paralleljustiz mit Sonderrechten für Konzerne etabliert. Das ist
und bleibt für die KritikerInnen inakzeptabel. Laut CETA-Text könnten Konzerne
vor einem internationalen Schiedsgericht klagen, wenn sie ihre „legitimen
Erwartungen“ auf Gewinn geschmälert sehen. Weitere unpräzise Definitionen wie „faire
und gerechte Behandlung“ oder „legitime öffentliche Interessen“ bieten
ebenfalls ein weites Feld von Klagemöglichkeiten. Auch eine Klausel, die Klagen
von ausländischen Briefkastenfirmen verhindern soll, ist wohl weitgehend
wirkungslos: Verlangt werden lediglich „substanzielle Geschäftsaktivitäten“ in
dem beklagten Land. Zudem sieht der CETA-Vertrag keine verbindliche
Revisionsmöglichkeit vor. Ein „Komitee für Dienstleistungen und Investitionen“
soll nur prüfen, ob ein Berufungsmechanismus als notwendig erachtet wird.
Ein Gutachten im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums spielt den Investorenschutz
im CETA zwar weitgehend herunter. Das ist aber nicht verwunderlich, fungiert dessen
Verfasser, der Völkerrechtler Stephan Schill, doch selbst als Schlichter für die internationalen Schiedsgerichte der
Weltbank. Auch ein weiteres vom Wirtschaftsministerium veröffentlichtes
Gutachten zu
CETA, demzufolge die nationalen Parlamente das Abkommen ratifizieren müssen, deuten die Kritiker nicht als Entwarnung, solange die EU-Kommission das anders sieht. Denn dass die Kommission nicht davor zurückschrecke, für
einen kurzfristigen Erfolg die Demokratie in Europa zu beschädigen, zeige ihre
Weigerung, die Europäische Bürgerinitiative gegen TTIP zuzulassen.
CETA
ist auch deshalb so wichtig, weil es die Vorstufe zu dem viel größeren
transatlantischen Freihandelsabkommen ist, über das z.Zt. verhandelt wird.
Damit wollen die EU und die USA Standards für die ganze Welt setzen. „Nicht die
aufstrebenden Handelsmächte China und Indien sollen im 21. Jahrhundert den Ton
angeben,“ kommentierte die taz treffend, „sondern Amerikaner, Kanadier und
Europäer in einem riesigen gemeinsamen Markt. CETA ist die Vorspeise, TTIP das
Hauptgericht. Deswegen will (EU-Handelskommissar) De Gucht CETA durchboxen,
deswegen gibt es Streit. Denn was mit Kanada vereinbart wird, dürfte auch im
Abkommen mit den USA stehen.“