Geier gegen Argentinien: Konsequenzen für Entwicklungswelt
Am 23. August entschied das zweite
Berufungsgericht der USA in dem als Jahrhundertprozess bezeichneten
Rechtsstreit zwischen dem Hedgefonds NML
Capital und dem souveränen Staat Argentinien zu Gunsten des Hedgefonds. Damit
bestätigte das Gericht ein Urteil, demzufolge Argentinien 1,33 Mrd. US-Dollar
an den sog. Geierfonds zahlen muss. Das Urteil könnte weitreichende
Konsequenzen – auch für andere Schuldnerländer im Süden – haben, sollte der
Oberste Gerichtshof kein Veto einlegen.
In dem aktuell tobenden Rechtsstreit fordert der Hedgefonds den vollen
Wert von argentinischen Staatsanleihen, die er während der argentinischen
Finanzkrise zu Beginn des Jahrtausends spottbillig aufgekauft hatte, vor
US-Gerichten ein und möchte somit aus dem Elend der Krisenopfer in Argentinien
und auf Kosten der gutwilligen Mehrheit der damaligen argentinischen Gläubiger
Profit schlagen. Das lateinamerikanische Land bot dem Hedgefonds damals die Rückzahlung
der Schulden zu denselben Bedingungen an, auf die es sich mit 92% seiner
Gläubiger zuvor geeinigt hatte – NML Capital lehnte ab.
Nach Ansicht von Jürgen Kaiser vom deutschen Entschuldungsbündnis
erlassjahr.de wären die Konsequenzen für bisherig angewandte Konzepte zur
Restrukturierung von untragbaren Schulden ohne einen Einspruch des US Supreme
Courts gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts katastrophal. Nicht nur
werde die Souveränität von
verschuldeten Staaten ausgehebelt und der unmoralischen Geschäftspolitik der
Geierfonds zu Lasten der ärmsten Menschen der Welt ein Nährboden bereitet. Auch
für hochverschuldete ärmere Entwicklungsstaaten und deren
Bevölkerung könnte das Urteil Folgen haben. Denn auch sie gehören seit den 1990er
Jahren zu den Zielobjekten der Geierfonds. Erst 2007 musste Sambia Mittel, die
eigentlich in die Armutsbekämpfung investiert werden sollten, an einen solchen
Hedgefonds zahlen.
Das Geschäftsmodell der Geierfonds funktioniert dabei so: Zu einem
günstigen Nominalwert werden Gläubigern die finanziellen Forderungen an
hochverschuldete Staaten in der Krise abgekauft. Hat sich das Land erholt,
fordern die Fonds vor Gerichten die Schulden zu einem Wert ein, der den
Erwerbspreis um ein vielfaches übersteigt. Hat diese Praxis nun Aussicht auf
Erfolg, bedeutet dies, dass Umschuldungsregelungen zwischen zahlungsunfähigen
Staaten und ihren Gläubigern in Zukunft beinahe unmöglich werden. Denn
Gläubiger, die sich bisher aus guten Gründen zu Gunsten der Wiederherstellung
der Zahlungsfähigkeit auf Teile ihre Forderungen verzichteten, haben dazu dann
kaum einen Anreiz mehr. Das große Geld, so machen es die Geierfonds vor, winkt
schließlich vor Gericht.
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