14. Dezember 2012

EU-Krisenpolitik: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben

Kritische Entwicklungspolitiker wissen, dass das, was die EU im Rahmen ihrer Krisenpolitik den eigenen Krisenländern auferlegt, an Härte und Gnadenlosigkeit oft erheblich über das hinausgeht, was im Rahmen der sog. Strukturanpassungspolitik den Entwicklungsländern in der Schuldenkrise zugemutet wurde. Unter diesem Aspekt ist es eigentlich nur zu begrüßen, dass der derzeitige EU-Gipfel über die Schaffung einer gemeinsamen Bankenaufsicht im Euroraum hinaus alle Vorschläge zur Zukunft der europäischen Wirtschafts- und Währungsintegration in das nächste Jahr verschoben hat. Denn unter dem Stichwort „Reformverträge“ oder „vertragliche Arrangements“ will sich die EU-Spitze in Brüssel eine Handhabe dafür schaffen, das Austeritätsregime, das bislang nur gegenüber den vornehmlich südlichen Krisenländern durchgesetzt wurde, gegebenenfalls EU-weit zu verallgemeinern.

Doch aufgeschoben ist in diesem Fall einmal nicht aufgehoben. Schon zum EU-Gipfel im Juni nächsten Jahres will Ratspräsident Van Rompuy die bilateralen vertraglichen Arrangements zwischen der EU-Kommission und den Mitgliedsstaaten als „mögliche Maßnahme“ erneut präsentieren. Hinter dem Getöse um die Bankenunion in der Eurozone, deren erster Schritt jetzt mit der Errichtung einer gemeinsamen Bankenaufsicht bei der Europäischen Zentralbank gegangen wird, war das neu anvisierte Instrument der bilateralen „Reformverträge“ zunächst nicht gerade aufgefallen. Das änderte sich jedoch in der zurückliegenden Woche. Attac erkannte in ihm ein Element zur Entkernung der nationalen Souveränität in der EU zugunsten einer demokratisch nicht legitimierten Instanz, der EU-Kommission. Peter Wahl von WEED betonte in einem Hearing vor dem EU-Ausschuss des Deutschen Bundestags die machtpolitischen Seiten des Versuchs, auf bilateralem Weg in den Mitgliedsländern Strukturanpassungsmaßnahmen durchzusetzen, die auf die Flexibilisierung der Arbeitsmärkte, Lohnzurückhaltung und Privatisierung zielen.

In der Tat sind – das herrschende neoliberale Denken in Rechnung gestellt – die Parallelen zwischen den Austeritäts-Memoranden, die Krisenländern wie Griechenland auferlegt wurden, und dem, was als „vertragliche Arrangements“ debattiert wird, frappierend. Besonders die deutsche Bundesregierung in Berlin erhofft sich davon ein Instrument, unter dem Vorwand der Steigerung der „Wettbewerbsfähigkeit“ der gesamten Eurozone ein Regime nach deutschem Gusto aufherrschen zu können. Dabei wären dringend andere Maßnahmen vonnöten, um die Eurozone aus der Rezession, in der sie jetzt steckt, herauszuführen. Eine Rolle dabei könnten auch Eurobonds spielen. Aber davon ist in den Dokumenten des Brüsseler Gipfels nicht mehr die Rede.

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