EU-Krisenpolitik: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben
Kritische
Entwicklungspolitiker wissen, dass das, was die EU im Rahmen ihrer
Krisenpolitik den eigenen Krisenländern auferlegt, an Härte und Gnadenlosigkeit
oft erheblich über das hinausgeht, was im Rahmen der sog.
Strukturanpassungspolitik den Entwicklungsländern in der Schuldenkrise
zugemutet wurde. Unter diesem Aspekt ist es eigentlich nur zu begrüßen, dass
der derzeitige EU-Gipfel über die Schaffung einer gemeinsamen Bankenaufsicht im
Euroraum hinaus alle Vorschläge zur Zukunft der europäischen Wirtschafts- und
Währungsintegration in das nächste Jahr verschoben hat. Denn unter dem
Stichwort „Reformverträge“ oder „vertragliche Arrangements“ will sich die EU-Spitze
in Brüssel eine Handhabe dafür schaffen, das Austeritätsregime, das bislang nur
gegenüber den vornehmlich südlichen Krisenländern durchgesetzt wurde,
gegebenenfalls EU-weit zu verallgemeinern.
Doch
aufgeschoben ist in diesem Fall einmal nicht aufgehoben. Schon zum EU-Gipfel im
Juni nächsten Jahres will Ratspräsident Van Rompuy die bilateralen vertraglichen
Arrangements zwischen der EU-Kommission und den Mitgliedsstaaten als „mögliche
Maßnahme“ erneut präsentieren. Hinter dem Getöse um die Bankenunion in der
Eurozone, deren erster Schritt jetzt mit der Errichtung einer gemeinsamen
Bankenaufsicht bei der Europäischen Zentralbank gegangen wird, war das neu
anvisierte Instrument der bilateralen „Reformverträge“ zunächst nicht gerade
aufgefallen. Das änderte sich jedoch in der zurückliegenden Woche. Attac
erkannte in ihm ein Element zur Entkernung der nationalen Souveränität in der
EU zugunsten einer demokratisch nicht legitimierten Instanz, der EU-Kommission.
Peter Wahl von WEED betonte in einem Hearing vor dem EU-Ausschuss des Deutschen
Bundestags die machtpolitischen Seiten des Versuchs, auf bilateralem Weg in den
Mitgliedsländern Strukturanpassungsmaßnahmen durchzusetzen, die auf die
Flexibilisierung der Arbeitsmärkte, Lohnzurückhaltung und Privatisierung
zielen.
In
der Tat sind – das herrschende neoliberale Denken in Rechnung gestellt – die
Parallelen zwischen den Austeritäts-Memoranden, die Krisenländern wie Griechenland
auferlegt wurden, und dem, was als „vertragliche Arrangements“ debattiert wird,
frappierend. Besonders die deutsche Bundesregierung in Berlin erhofft sich davon
ein Instrument, unter dem Vorwand der Steigerung der „Wettbewerbsfähigkeit“ der
gesamten Eurozone ein Regime nach deutschem Gusto aufherrschen zu können. Dabei
wären dringend andere Maßnahmen vonnöten, um die Eurozone aus der Rezession, in
der sie jetzt steckt, herauszuführen. Eine Rolle dabei könnten auch Eurobonds
spielen. Aber davon ist in den Dokumenten des Brüsseler Gipfels nicht mehr die
Rede.
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