Jobvermittler Niebel: Die Fabel vom schlanken Staat
Gastkommentar von Ute Koczy MdB
Vom schlanken Staat, wie ihn die FDP immer gefordert hat, ist nichts übrig geblieben. Im Gegenteil, Minister Niebel bläht die Verwaltungsstrukturen des BMZ auf. Statt die unterbesetzten Länder- und Fachreferate zu verstärken, setzt er auf eine überflüssige Abteilung "Planung und Kommunikation" und schafft Luftreferate. Es ist richtig, dass das Entwicklungsministerium mehr Personal erhält. Das BMZ in seiner Funktion als Anwalt der Armen, als Agenda-Setter für globale Gerechtigkeit und Klimaschutz braucht Verstärkung. Durch die Schaffung von über 181 Planstellen und 21 Stellen wird das Personal im BMZ deutlich aufgestockt, bislang ausgeliehene Kräfte aus der ehemaligen GTZ können endlich durch eigene Leute aus dem Haus ersetzt oder integriert werden.
Auf diese einmalige Chance wurde lange gewartet. Deshalb ist das Entsetzen groß, dass Minister Niebel nun an entscheidenden Stellen nicht auf entwicklungspolitische Kompetenz setzt, sondern auf Parteinähe. Durch diese Vetternwirtschaft vergibt Minister Niebel die Chance, das BMZ inhaltlich und konzeptionell zu stärken. Vielmehr verkommt es zu einem Auffangbecken für eine Partei im Niedergang und dient augenscheinlich als Rentensicherung für altgediente Parteifreunde.
Personelle Wechsel an der Spitze eines Ministeriums sind nach einer Regierungsübernahme üblich. Ein Minister will und soll auch mit einer loyalen Führungsebene arbeiten. Doch die Dreistigkeit, mit der die liberale Führung im BMZ vorgeht, ist beispiellos und wird zunehmend skandalöser. Das Maß ist rigoros überschritten: erstens durch die hohe Anzahl von FDP-nahen Personen, die ohne große entwicklungspolitische Vorkenntnisse auch auf unteren Ebenen versorgt werden; zweitens durch die Schaffung von neuen Abteilungen, Unterabteilungen und Referaten für Parteifreunde mit geringer oder ungenügender Qualifikation und obendrein ohne ein seriöses Auswahlverfahren.
Da wundert es nicht, dass die Stimmung im Haus als vergiftet beschrieben wird.
Drittens steht zu befürchten, dass auch Leitungsstellen vorrangig mit FDP-FreundInnen besetzt werden. Vier von fünf Abteilungsleitern, sowie drei bis vier der Unterabteilungsleiter sind FDP-Mitglieder oder FDP-nah. Zuletzt wurde die Leitung der neuen Servicestelle für kommunales und bürgerschaftliches Engagement bekannt gegeben, auch hier kommt wieder eine FDP-lerin zum Zug. Da ist es kein Wunder, dass Niebel sich in der öffentlichen Wahrnehmung zum Jobvermittler der FDP entwickelt.
Wichtige Reformschritte in der Entwicklungszusammenarbeit gehen in Niebels Personalsumpf und der Selbstversorgungsmentalität der FDP unter. Diese Kritik wurde aus unterschiedlichen Quellen öffentlich. Der Personalrat kritisiert in seinem Halbjahresbericht, dass keine Mitbestimmungsmöglichkeiten bei der Neueinstellung von Führungspersonal mehr bestehen. Er lehnt die neue Abteilung "Planung und Kommunikation" ab und befürchtet sogar, mit dieser Umstrukturierung entstehe die neue Kampa für den Wahlkampf 2013. Auch der Koalitionspartner ist über die liberale Politik verärgert. Die Obfrau der CDU im Entwicklungsausschuss, Sibylle Pfeiffer, schrieb in einem Brief an Kanzlerin Angela Merkel, dass die Personalentscheidungen Niebels weder mit der Union abgesprochen noch in deren Interesse seien. In den Sturm der Entrüstung stimmt inzwischen auch die Zivilgesellschaft ein. Der Dachverband der entwicklungspolitischen Nichtregierungsorganisationen VENRO ist brüskiert, dass das Versprechen, die Zivilgesellschaft bei der Konzeption für die neue Servicestelle Engagement Global eng einzubeziehen, gebrochen wurde.
* Die Veränderungen im BMZ unter Niebel stellt Ludger Reuke in neuen Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung dar >>> hier.
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