28. Januar 2012

Davos, 4. Tag: Wo ist der Protest? Die neuen Stars

Wo sind all die Protestler geblieben, jetzt, wo sie wirklich gebraucht werden, fragt heute auch der ökonomische Chefkommentator der Financial Times, Martin Wolf. Am 4. Tag hat das Weltwirtschaftsforum einen Gang zurückgeschaltet von der Verzweiflung in den Modus der Verunsicherung, wie einige Beobachter formulieren. Zumindest hat sich die Situation der Weltwirtschaft in den letzten Tagen nicht weiter verschlimmert, so die allgemeine Gewissheit. Doch die Erleichterung, so Wolf, ist die eines zum Tode Verurteilten, dem es gelingt, noch kurz vor der Hinrichtung seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen.

Die positiven Meldungen, die die Stimmung aufheitern, sind vor allem die neuen Wachstumserfolge, die die USA im letzten Quartal des Jahres 2011 verzeichneten und die jetzt öffentlich geworden sind (2,8% auf Jahresbasis), und die leicht abnehmende Arbeitslosenrate. Deutschland ist dabei, sich weiter unbeliebt zu machen, indem seine Vertreter die Aufstockung des Europäischen Stabilitätsmechanismus weiter abblocken und jetzt sogar ein direktes Protektorat der EU für Griechenland ins Spiel gebracht haben, an das Haushalts- und andere Souveränitätsrechte zumindest vorübergehend abgegeben werden sollen.

Die unbestrittenen Stars dieses Weltwirtschaftsforums sind jetzt der Präsident der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, und die Direktorin des IWF, Christine Lagarde. Ersterer, weil er gestern sehr klar gemacht hat, dass die EZB mit ihren Maßnahmen der geldpolitischen Lockerung im letzten Dezember erneut einen Zusammenbruch des Kreditsystems („credit crunch“) in Europa verhindert hat. Und Lagarde, weil sie jetzt eindeutig die Führung der Front übernommen hat, die den Druck auf Deutschland zur Ausweitung des Rettungsschirms fortwährend erhöht. Dies allerdings nicht ganz uneigennützig. Denn viele in Davos – von den USA über Japan und Großbritannien bis zu den Schwellenländern – haben klar gemacht, dass sie nur mehr IWF-Mittel bereitstellen werden, wenn Europa sich selbst hilft.

Warten wir einmal ab, ob das jetzt die letzten Weisheiten aus Davos sein werden oder ob das sonntägliche „Debriefing“ noch mehr bringen wird. Einen Gesamtrückblick auf das WEF (und auch einige Ergebnisse vom Weltsozialforum) auf diesem Blog wird es jedenfalls am Sonntag oder spätestens Montag geben.

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