Davos und Rio: Was wird eigentlich aus dem Weltsozialforum?
So richtig habe ich nie verstanden, warum das Weltsozialforum (WSF) so einfach die Funktion aufgegeben hat, als direkter Antipode und unmittelbare Alternative zum Davoser Weltwirtschaftsforum (WEF) zu agieren. Selten wurde es so schmerzlich vermisst wie in diesem Jahr – zumindest in den Medien. Bis auf ein paar Occupy-Aktivisten in den Iglus und die Vergabe des traditionellen Schmähpreises an ein paar Multis gibt es kaum etwas, was an Stimmen aus den globalisierungskritischen Bewegungen zu berichten wäre.
Natürlich weiß ich, dass das WSF in diesem Jahr als „Thematisches Sozialforum“ in Porto Alegre tagt, um einen Gegenentwurf zu dem kläglichen Verhandlungsstand in Vorbereitung auf Rio plus 20 auszuarbeiten. Natürlich ist das sinnvoll und wichtig. Aber macht es Sinn, das ausgerechnet parallel zum WEF zu tun, wenn dort über die kapitalistische Krise und die Auswege daraus diskutiert wird? Das Programm und der Verlauf der Diskussionen in Davos zeigen jedenfalls, dass die Green Economy, die auf dem WSF als Weg in den Grünen Kapitalismus verdammt wird, längst nicht das nächste hegemoniale Projekt der internationalen „Eliten“ ist, das viele in Porto Alegre darin sehen. Sie kommt ganz einfach so gut wie nicht vor. Viel ist dagegen die Rede von der wachsenden Gefahr sozialer Unruhen angesichts der wachsenden Unzufriedenheit in immer mehr Teilen der Welt.
„Occupy Rio plus 20“ überschreiben zwei W&E-Autoren aus Frust ihren Überblicksartikel über die Green-Economy-Konzepte, die im Vorfeld von Rio im Juni diskutiert werden. Das lässt sich in mindestens zwei Richtungen verstehen. Die erste wäre: Vergesst Rio! Dieser Ruf wurde schon nach dem Klimagipfel in Kopenhagen laut. Dass dieses Jahr – trotz der thematischen Begrenzung – wieder über 10.000 Menschen nach Porto Alegre gekommen sind, lässt sich allerding kaum so interpretieren, dass ihnen der Verhandlungsprozess im Rahmen der Vereinten Nationen schlicht gleichgültig ist. Man kann den Ruf „Occupy Rio plus 20“ aber auch anders sehen, als Aufruf nämlich, eine Debatte zu besetzen, deren Ziel die Anpassung der (welt-)wirtschaftlichen Verhältnisse an die sozialen und ökologischen Imperative sein sollte. Das wäre in Davos ebenso angesagt wie in Rio.
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