Davos, 2. Tag: Bold, bold, bold
Kühn, mutig und entschlossen („bold“) solle Europa gegen die Krise angehen. Man sage nie „nie“! Es kann immer noch schlimmer kommen. Auf Merkel folgt Cameron. In seiner Rede heute Morgen verwendete der britische Premierminister das Wort „bold“ zehnmal in fünf Minuten, zählte ein Beobachter mit. Zwar war seine Rhetorik zweifellos gewandter als die Merkels. Doch während Merkel dem Ruf der „schwäbischen Hausfrau“ alle Ehre machte und den Südeuropäern „sparen, sparen, sparen“ predigte, glänzte Cameron mit einem Maß an Wirtschaftsfreundlichkeit, das die Kontinentaleuropäer kaum mehr gewohnt sind, und hielt dafür den tosenden Applaus der anwesenden Wirtschaftslenker. Er wolle Großbritannien zum wirtschaftsfreundlichsten Standort in Europa machen, und Europa solle ihm dabei folgen.
Wie das? Als erstes feuerte Cameron eine Breitseite auf die Kommission, was in Brüssel keinen Gefallen finden dürfte. Mit der Überregulierung im Binnenmarkt müsse Schluss gemacht und unverzüglich mit einer Deregulierungsoffensive begonnen werden. Europa brauche endlich eine „Pro-Business-Agenda“. Der Vorschlag der Kommission zu einer Finanztransaktionssteuer (FTT) sei „verrückt“. Die Euroländer sollten die britische Bankenabgabe und die Stamp-Duty übernehmen, wenn sie den Finanzsektor an den Krisenkosten beteiligen wollten – eine deutliche Unterstützung für die Position des kleinen Koalitionspartners in der Berliner Regierung. Die Europäer sollten die Doha-Runde, die nicht funktioniert, hinter sich lassen und sich auf eine bilaterale Freihandelsagenda konzentrieren, usw. usf.…
Zwar schoss der britische Premier indirekt auch gegen Merkel, indem er sagte, in der Eurokrise gehe es „nicht nur um Haushaltsdefizite, sondern auch um Handelsdefizite“. Unter der Überschrift „Wettbewerbsfähigkeit“ würde Merkel ihm dabei theoretisch sogar Recht geben. Der eigentliche Dissens zwischen den beiden liegt wohl eher darin: Merkel will Europa deutscher machen, während sich Cameron Deutschland weniger deutsch wünscht. Im Klartext also: Kontinentaleuropa soll unter dem Deregulierungsmotto weiter den neoliberalen Weg der Einführung des anglo-amerikanischen Kapitalismus gehen. – Doch mit solchen RednerInnen verläuft das WEF gegenüber dem, was die Forumsleitung als Slogans vorgegeben hat, exakt in die Gegenrichtung: Die Probleme des Kapitalismus des 21. Jahrhunderts können nicht mit dem Kapitalismus des 20. Jahrhunderts gelöst werden, so Klaus Schwab. Mit dem Kapitalismus des 19. Jahrhunderts aber erst Recht nicht.
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