Umdenken für Rio+20
Gastblog von Roberto Bissio*)
Umweltschützer, Ökonomen, Feministen und soziale Aktivisten aus aller Welt rufen nun – nach vielen Jahren der Kritik an Regierungen – nach einem gestärkten Staat als einzigem Weg, unseren Planeten zu retten, der durch eine ganze Serie von Krisen (Klima-, Wasser- Nahrungsmittel- und Finanzkrise) bedroht ist. Kürzlich formulierten 16 Mitglieder der Reflection Group on global development perspectives einen Aufruf zum „Umdenken“ (>>> Change the mindset to save the planet) in ökologischen und ökonomischen Fragen.
Dieser Aufruf richtet sich primär an die Verhandlungspartner, die den UN-Gipfel für Nachhaltige Entwicklung 2012 in Rio de Janeiro vorbereiten, 20 Jahre nach dem „Erdgipfel“, auf dem das Konzept der Nachhaltigen Entwicklung verabschiedet und der Grundstein für Konventionen über Klimawandel, Desertifikation und Entwaldung gelegt wurde. Das geforderte Umdenken beginnt mit „Wiederherstellung öffentlicher Rechte gegenüber Unternehmensprivilegien“.
Die Unterzeichner stellen fest, dass “nach 30 Jahren gestärkter Macht der Investoren und großer Konzerne durch Deregulation, Liberalisierung des Handels und des Finanzsektors, Steuerkürzungen und -befreiungen und einer Schwächung des Staates – und nach einem marktbedingten Finanzkollaps – die Grundsätze und Werte der Rio-Deklaration und der UN-Millenniumsdeklaration, verabschiedet durch die Staats- und Regierungschefs, bedroht sind und dringend einer Bekräftigung bedürfen“. Diese Grundsätze schließen Menschenrechte, Freiheit, Gleichheit, Solidarität, Diversität, Respekt vor der Natur und der gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortung reicher sowie armer Staaten ein. „Unternehmensinteressen wirken nicht zugunsten dieser Grundsätze und Werte.“
Der zweite Punkt des Statements fordert, „Verteilungsgerechtigkeit ernst zu nehmen“, nachdem die Politik der letzten 30 Jahre – also seit der konservativen Revolution von Reagan und Thatcher – „den Graben zwischen Arm und Reich vergrößert hat und sich Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten verschärft haben, nicht zuletzt beim Zugang zu Ressourcen“.
Das Statement betont, dass „ungezügelte Marktkräfte den Starken begünstigt und dadurch die ökonomische Kluft verbreitert haben. Deshalb wird ein Staat benötigt, der das gestörte Gleichgewicht wieder in Einklang bringt, Diskriminierung eliminiert und nachhaltige Existenzgrundlagen garantiert, ebenso wie menschenwürdige Arbeit sowie soziale Inklusion. Generationengerechtigkeit erfordert Einschränkungen und Verantwortung der jetzigen Generation. Es ist deshalb dringend notwendig, fairere Pro-Kopf-Rechte an den globalen Allgemeingütern und der Emission von Treibhausgasen festzulegen, um im vollen Umfang der historischen Verantwortung Rechnung zu tragen.“ Die mehr entwickelten Länder haben diese letzten zwei Prinzipien nicht akzeptiert und damit den Verhandlungsprozess über den Klimawandel blockiert.
Die dritte und letzte Forderung in diesem kurzen Statement ist ein Aufruf zu Umweltschutz, der dringend notwendig ist, „nach mehr als 60 Jahren globaler Erwärmung, Verlust an Biodiversität, Desertifikation, Raubbau an Meeren und Wäldern, einer sich zuspitzenden Wasserkrise und vielen anderen ökologischen Katastrophen.“ Dieser Prozess startete in den 1950ern, als die Baby-Boomer-Generation einen Massenkonsum der nicht erneuerbaren Ressourcen des Planeten auslöste. Die durch diesen zügellosen Konsum der Reichen losgetretene Umweltkrise „trifft die Armen mehr als die Wohlhabenden.“
Die Unterzeichner kleben nicht an malthusianischen Ideen über die Erschöpfung der Ressourcen, sondern unterstützen stattdessen „wissensintensive Lösungen, einschließlich verfügbarer Technologien, die natürliche Systeme wieder herstellen und den Druck auf das Klima und die Umwelt erheblich reduzieren und gleichzeitig menschliches Wohlergehen verbessern“. Sie argumentieren, dass eine „Grüne Ökonomie“ möglich ist, drängen aber darauf, dass diese in „ein holistisches Konzept der Nachhaltigkeit“ integriert werden muss. Sie kommen zu dem Schluss, dass wir „einen Wandel der Lebensstile“ brauchen.
Um dies zu erreichen, “muss der Rio-Gipfel 2012 den Staat als unabdingbaren und den gesetzlichen Rahmen setzenden Akteur wieder in seine Rechte einsetzen, der Gleichheits- und Menschenrechtsstandards durchsetzt und langfristiges ökologisches Denken auf der Basis demokratischer Legitimation fördert“.
*) Roberto Bissio ist Koordinator von Socialwatch und Direktor des Third World Institute, Uruguay.
>>> Lesen Sie auch: Globale Umweltgovernance und Rio+20: Groß denken - klein beigeben? (von Barbara Unmüßig)
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