Entwicklungshilfe: Britischer Ausverkauf
Als „good news“ firmiert in der entwicklungspolitischen Community derzeit der Umstand, dass Großbritannien auch unter konservativ-liberaler Regierung an der Erhöhung der öffentlichen Entwicklungshilfe auf 0,7% festhalten will, und zwar schon bis 2013. In absoluten Zahlen läuft das auf eine Steigerung der Hilfe auf 11 Mrd. Pfund pro Jahr hinaus. Was allerdings weniger bekannt ist: Auch die britische Regierung krempelt die Entwicklungszusammenarbeit im Sinne eines konservativ-liberalen Mainstreamings um, das der deutschen BMZ-Spitze unter Niebel in keiner Weise nachsteht – im Gegenteil.
In dieser Woche hat London eine „Review“ seines EZ-Etats bekannt gegeben, der sich derzeit auf 8,4 Mrd. Pfund beläuft, eine Generalüberholung sozusagen, die die gleichen Merkmale trägt wie das Roll back, das gegenwärtig im BMZ (>>> Niebels bad Governance) abläuft. Im Kern geht es um zwei operative Eingriffe: Geht es nach dem jetzigen Sekretär der britischen Regierung für internationale Zusammenarbeit, Andrew Mitchell, dann liegt die Zukunft der EZ in einer „Partnerschaft mit der Wirtschaft“. Dies werde nicht nur über die Handlungsprioritäten entscheiden und „Innovationen im Gesundheitsweisen und in der Ernährungssicherheit“ vorantreiben, sondern auch das globale Armutsproblem lösen. „Auf welchem Planet lebt Mitchell eigentlich“, fragte da der ehemalige Direktor bei der Ford Foundation Michael Edwards (>>> Don’t sell British aid to business).
Mitchell sieht – ganz wie Niebel – in der „Partnerschaft mit der Wirtschaft“ ein neues Paradigma der Entwicklungspolitik, nach dem Motto „privater Sektor – öffentlicher Vorteil“. Nicht zu Unrecht vermutet Edwards jedoch, am Ende werde es eher heißen: „Privater Vorteil – öffentliche Subventionierung“ – gerade so wie das BMZ derzeit gemeinsam mit dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag eine Tournee veranstaltet, die den deutschen Unternehmen Tipps gibt, wie sie Aufträge aus der deutschen EZ an Land ziehen können.
Der zweite chirurgische Eingriff der Briten betrifft die länderweise Umverteilung des EZ-Kuchens. Insgesamt soll die Zahl der Empfängerländer um 16 gekürzt werden. Leer ausgehen werden in Zukunft Länder wie Burundi und Niger, die zu den ärmsten der Welt gehören. Aufsteigen soll stattdessen Pakistan, das künftig den größten Batzen der britischen EZ bekommen soll. An die siebte Stelle der Empfängerländer rückt Afghanistan. Kein Wunder, dass für das World Development Movement da die „securitisation of aid“, die Unterordnung der EZ unter militärische Sicherheitsanliegen, zu einer „ernsten Sorge“ wird.
Wo London in Zukunft auch anders verfahren will, ist schließlich die Finanzierung multilateraler Organisationen: Wahrscheinlich werden UNICEF, der Globale Fonds (dem Niebel jetzt erst mal die Mittel gesperrt hat – welche Ironie!) und das Welternährungsprogramm künftig mehr Mittel erhalten, während die Beiträge für die ILO und UN-Habitat gekürzt werden sollen – wegen „mangelnder Leistungsfähigkeit (‚performance‘)“: Hört, hört – was Leistungsfähigkeit ist, bestimmen wie eh und je die Geber!
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