Sondermemo fordert europäische Solidarität statt Schrumpfdiktate
Die zum 1. Januar 1999 gestartete europäische Währung befindet sich nach Auffassung der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik in einer existenzbedrohenden Krise. Der naiverweise erwartete Abbau der ökonomischen und sozialen Divergenzen zwischen den Mitgliedsstaaten sei in den letzten zwölf Jahren nicht vorangeschritten, heißt es in einem neuen Sondermemorandum, das jetzt veröffentlicht wurde. Aktuell konzentrieren sich Spekulanten auf die Risiken, die sich aus den Finanzierungsnöten einzelner Länder ergeben. Sichtbar wird das in exorbitanten Risikoaufschlägen auf die Zinssätze beim Handel mit den Staatsanleihen notleidender Staaten. Einige Mitgliedsländer stehen vor dem aus eigener Kraft nicht mehr zu lösenden Problem, ihre Zahlungsverpflichtungen im Rahmen der Kreditfinanzierung einzuhalten.
Bei der Lösung dieser Probleme ist nach Auffassung des Bremer Hochschullehrers Rudolf Hickel europäische Solidarität gefordert: „Es wird derzeit nur an den Symptomen der Krise herumgedoktert“, kritisiert Hickel. „Die eigentlichen Ursachen der Krise werden ausgeblendet. Wenn die Auseinanderentwicklung in Europa, die bspw. durch die massiven Exportüberschüsse im Euroraum vorangetrieben worden ist, nicht beendet wird, ist die Existenz des Euro akut bedroht.“
Der Euro ist für die Alternativökonomen trotz der aktuellen Widrigkeiten ökonomisch und politisch eine zentrale Säule der monetären Integration innerhalb einer Wirtschafts- und Währungsunion. Die bedrohliche Vertrauenskrise, die sich auch in verständlichen Ängsten niederschlägt, sei überwindbar. Dazu müssten jedoch zwei Aufgaben gelöst werden: Erstens müssten die Vorteile des Eurolandes gegenüber dem Szenario einer Aufspaltung bis hin zur Wiederbelebung des D-Mark-Regimes zusammen mit der Vorherrschaft der Deutschen Bundesbank dargelegt werden; zweitens sei auf dieser Basis ein Programm zur Sicherung und zum Ausbau der Eurowährung als zentraler Bereich einer handlungsfähigen politischen Union verbindlich festzulegen. Ein solches Programm, so Heinz-J. Bontrup, muss „das
Auseinanderbrechen des Eurolandes verhindern und vor allem den Spekulanten das Handwerk legen.“ Dieses Sofortprogramm sollte als Brücke zu einer zu vollendenden Währungsunion zusammen mit einer wirtschaftlichen und fiskalischen Integration genutzt werden.
Im Einzelnen schlägt die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik ein Sieben-Punkte-Programm vor: erstens sollte der Euro-Rettungsschirm ausgebaut werden; zweitens sollten Eurobonds zur finanziellen Stabilisierung aufgelegt werden; drittens müsse ein Schuldenschnitt durch Gläubigerbeteiligung erfolgen; viertens sollten die Anleihekäufe durch die Europäische Zentralbank fortgesetzt und ein Europäischer Währungsfonds gegründet werden; die derzeitigen Schrumpfungspolitik müssen fünftens durch eine Politik des qualitativen Wirtschaftswachstums ersetzt werden; sechstens sei eine Steigerung der öffentlichen Einnahmen, z.B. durch eine Harmonisierung der europäischer Unternehmensbesteuerung, notwendig; und siebtens gelte es, auf dem Weg zu einer Wirtschaftsregierung einen alternativen, solidarischen Entwicklungsweg durchzusetzen.
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