G20-Finanzminister: Slow-Start statt Quick-Start
Wenn das Treffen der G20-Finanzminister an diesem Wochenende etwas gezeigt hat, dann dies: Auch unter französischer Präsidentschaft bleibt der Fortschritt eine Schnecke. Und das ist noch wohlwollend formuliert. Am Vorabend des Treffens hatte der brasilianische Finanzminister Guido Mantega in einem Interview gefordert, man solle lieber über die Ursachen der globalen Ungleichgewichte reden als sich darüber Gedanken zu machen, mit welchen Indikatoren man sie messen kann, und forderte eine „grundlegende Reform des internationalen Währungssystems“.
Doch faktisch überragte der Streit um Indikatoren alle anderen Themen des Treffens. Am Ende stand ein Satz aus 53 Wörtern, der jetzt alle Seiten zufrieden stellt. Er lautet:
„While not targets, these indicative guidelines will be used to assess the following indicators: (i) public debt and fiscal deficits; and private savings rate and private debt (ii) and the external imbalance composed of the trade balance and net investment income flows and transfers, taking due consideration of exchange rate, fiscal, monetary and other policies.”Die von China nicht gewollte Erwähnung der Leistungsbilanz wird jetzt umgangen, indem von “externem Ungleichgewicht” gesprochen wird, das sich aus der Handelsbilanz und Nettokapitalzu- und –abflüssen zusammensetzt. Auch die Erwähnung des Realen Effektiven Wechselkurses (REER) konnte China verhindern. Dabei ist die Erstellung des Indikatorensets lediglich der erste Schritt zur Erarbeitung „indikativer Leitlinien“, mit deren Hilfe die Indikatoren länderweise bewertet werden sollen. Dies soll jetzt auf dem Frühjahrstreffen der G20-Finanzminister im April erfolgen.
Überhaupt liest sich das Kommuniqué eher wie ein Arbeitsprogramm als eine Beschlussliste. Bis Oktober soll der IWF im Rahmen seines „Mutual Assessment Process“ (MAP) eine Einschätzung der Ungleichgewichte der G20-Länder vorlegen. Ansonsten folgt das Kommuniqué zwar formal den drei Hauptpunkten der französischen G20-Agenda: Reform des internationalen Währungssystems, Bekämpfung der Preisvolatilität auf den Rohstoffmärkten und Reform des Finanzsektors. Doch bereits jetzt zeichnen sich die Rückzieher der französischen Regierung ab: So ist nicht mehr von der Reform, sondern lediglich von der „Stärkung“ des internationalen Währungssystems die Rede. Statt der von Schwellenländern wie Brasilien und China geforderten Aufwertung der Sonderziehungsrechte (SZR) und der Einbeziehung von Real und Renminbi in den SZR-Währungskorb wird die „Rolle der SZR“ nur allgemein erwähnt. Die von Frankreich unterstützte Finanztransaktionssteuer kommt in dem Dokument nicht vor.
Immerhin werden der Rat für Finanzstabilität (FSB) und andere internationale Organisationen beauftragt, bis zum Herbst Schritte zur Regulierung und Aufsicht über die Rohstoffderivate-Märkte sowie die Stärkung der Transparenz und den Kampf gegen Marktmissbrauch zu entwickeln. In puncto Finanzsektor werden die fortbestehenden Regulierungslücken, vor allem im Bereich des Schattenbankensystems, hervorgehoben. Auch dazu werden zwei Berichte bis zum Herbst erstellt, der eine von IWF, Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIS) und FSB, der andere von FSB, IWF und Weltbank.
Alles in allem also lässt sich sagen: Die französische Regierung hat auf dem ersten Ministertreffen unter ihrer G20-Präsidentschaft einen eher gemächlichen Start hingelegt. Ob sich so der versprochene neue Schwung im G20-Prozess erzeugen lässt, kann bezweifelt werden. Die französische Finanzministerin Christine Lagarde (>>> Foto) hat schon Recht: „Die G20 müssen sich neu beweisen.“
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