Zum Ergebnis des UN-Finanzgipfels: Ein Fuß in der Tür
Es ist wie so oft bei ähnlichen Konferenzen: Wer viel erwartet hatte, gar den Startschuss für eine neue Wirtschafts- und Finanzordnung, wird das Ergebnis für enttäuschend halten. Wer (zu Recht) auf die Notwendigkeit sofortigen Handelns hinwies, um den Entwicklungsländern in der Krise zu helfen, wird von einer „verpassten Gelegenheit“ sprechen. Und wer nüchtern die Beschlüsse mit dem Sachstand vor der Konferenz vergleicht, wird sogar kleine inkrementelle Fortschritte entdecken. Was die Resultate der UN-Konferenz zur globalen Wirtschafts- und Finanzkrise und ihren Auswirkungen in Entwicklungsländern betrifft, die letzte Woche in New York stattfand, so treffen alle drei Bewertungen irgendwie zu. Wie das Brüsseler Netzwerk zu Schulden und Entwicklung (Eurodad) in einer ausführlichen und differenzierten Analyse des Abschlussdokuments schreibt, belegt der gefundene Kompromisstext „sowohl die Bedeutung der Vereinten Nationen als ein Forum, das alle Regierungen einschließt, als auch die Schwierigkeit, einen starken Konsens zu erreichen“.
Enttäuschend ist es schon, dass kaum etwas von den Vorschlägen der Stiglitz-Kommission in das Abschlussdeklaration eingegangen ist. Auf dem zentralen Feld der Re-Regulierung der Finanzmärkte ist das Dokument mit konkreten Vorschlägen besonders sparsam (und überlässt damit faktisch den G20 das Feld). Eine verpasste Gelegenheit ist es auch, dass von der Notwendigkeit besonderer Stimulus-Pakete für die Dritte Welt zwar die Rede ist, aber keine einzige konkrete Initiative ergriffen wird. Es bleibt vorerst bei den 1,1 Billionen US-Dollar, die die G20 in London angekündigt haben und die selbstredend im Wesentlichen über die Bretton-Woods-Institutionen, vor allem über den IWF, aufgewickelt werden, in denen die Industrieländer das Sagen haben. Und auch in Bezug auf die anstehenden Reformen bei IWF und Weltbank lässt das Resultat des UN-Gipfels neue Impulse vermissen.
Und dennoch wurde auf diesem „Gipfel“, auf dem ja kaum ein Staats- und Regierungschef anwesend war, der Anspruch der Vereinten Nationen, der G192, wie sie jetzt genannt werden, neu begründet und bekräftigt, in Wirtschafts- und Finanzfragen ein gewichtiges Wort mitzureden. Die Ursachenanalyse, die das Abschlussdokument für die Krise gibt, ist weitreichender als alles, was bislang „agreed language“ in der UNO war, geschweige denn in den Kommuniqués der G8 oder auch der G20 stand. Vom großen Versagen der finanziellen Regulierung ist da die Rede, von „exzessivem Vertrauen in die Selbstregulierungsfähigkeit der Märkte“, vom „Mangel an Transparenz, finanzieller Integrität und unverantwortlichem Verhalten“. Von der Legitimität einer vorübergehenden Einstellung des Schuldendienstes in der Krise („debt standstill“) ist die Rede; die Liberalisierung des Kapitalverkehrs um jeden Preis wird ein für allemal zu den Akten gelegt, die Legitimität von Kapitalverkehrskontrollen bekräftigt.
Am wichtigsten ist wohl, dass es gelungen ist, einen Follow-Up-Mechanismus zu installieren und damit den Prozess der weiteren Bearbeitung des Konferenzthemas offenzuhalten. Eine zentrale Bedeutung wird hier der neuen Arbeitsgruppe der UN-Vollversammlung zukommen und der geplanten Expertenkommission, die nach dem Modell des UN-Panels zum Klimawandel die systemischen Risiken, die das herrschende Wirtschafts- und Finanzsystem produziert, beobachten und Vorschläge zu ihrer Eindämmung unterbreiten soll. Das alles ist nicht allzu viel, aber es ist besser als nichts. Die UN haben mit dieser von den Medien weitgehend totgeschwiegenen Konferenz einen Fuß in die Tür zu den Sälen bekommen, in denen über die zukünftigen Gestalt des globalen Wirtschafts- und Finanzsystem verhandelt wird. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
>>> Civil Society Background Document and Key Recommendation
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