28. Januar 2007

Transformation zur G8+5: Wundersame Metamorphose

Auf dem Weg, sich in eine G8+5 zu transformieren, sah der britische Premierminiser Tony Blair die Gruppe der sieben wichtigsten Industrieländer und Rußlands (Gruppe der 8) in seiner "Abschiedsrede" zum Abschluß des Weltwirtschaftsforums in Davos. Blair mag dabei die sich langsam konkretisierenden Vorstellungen der aktuellen deutschen G8-Präsidentschaft über eine Art Institutionalisierung des Dialogs der G8 mit fünf Schwellenländern (Brasilien, Indien, China, Südafrika und Mexiko) im Auge gehabt haben (siehe vorangegangenen Eintrag). Vielleicht sah er - im überschwänglichen Optimismus seines Vortrags, der für einen britischen Blogger mehr Ähnlichkeit mit einer Stellenbewerbung als mit einer Rede hatte - jedoch lediglich eine Bestätigung seiner seit Gleneagles verfolgten Vision eines Dialogs der G8 mit jenen Schwellenländern über Klimaschutz. Wie dem auch sei, die Rede war ein Meisterwerk jenes sprichwörtlichen "Spins" der Blair-Berater, angewandt auf die Globalierungsdebatte, und erhöhte - im Gegensatz zu den eher trockenen Ausführungen seiner deutschen Kollegin Merkel - zuletzt die Strahlkraft des traditionsreichen Treffens in den Schweizer Alpen ein weiteres Mal. Blair wörtlich: "The G8 is already well on its way to metamorphosis into G8 +5. At G8 +5, it can be a forum for agreement between the most powerful nations with a true modern global reach. But sooner or later, the metamorphosis should be complete."

26. Januar 2007

G8-O5: Neue Formen des Dialogs?

Auf "neue Formen des Dialogs" mit den großen Schwellenländern will sich die deutsche Bundeskanzlerin Merkel beim G8-Gipfel in Heiligendamm verständigen. Das erklärte Merkel in ihrer Eröffnungsrede auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. Ein "geschlossenes Auftreten der G8" soll dazu beitragen, "die Schwellenländer, die derzeit eine besonders beeindruckende Dynamik aufweisen, mit in die globale Verantwortung zu nehmen". Die Bundesregierung hat dabei vor allem Brasilien, China, Indien, Mexiko und Südafrika im Auge, deren Staatschefs zu einem Treffen am Rande des G8-Gipfels eingeladen sind. Der Dialog solle dort gestartet, dann aber in andere internationale Organisationen "überführt" werden.


Für die fünf Länder, im internen Jargon nur noch O5 ("Outreach countries") genannt, sollen perspektivisch permanente Sitze bei der G8 geschaffen werden, wie der deutsche Scherpa, Bernd Pfaffenbach, gegenüber der Financial Times vom 25.1.2006 erklärte. Zumindest an einigen Sitzungen der G8 solle man sie teilnehmen lassen. Gleichzeitig beschied die Kanzlerin in Davos (s. Foto) eine Frage des WEF-Gründers Schwab negativ, warum Deutschland bei der starken Betonung der Dialogbereitschaft nicht bereit sei, aus der G8 eine G13 zu machen.

Der in deutschen Regierungskreisen als "Heiligendamm-Prozeß" bezeichnete Annäherungsversuch an die Schwellenländer geht so einerseits über die bisherige Praxis der Ad-hoc-Einladungen hinaus, bleibt aber deutlich unter der Schwelle der Erweiterung der G8 oder weitergehender Reformen der Gipfelarchitektur. Ob die Schwellenländer mit dem neuen Werben glücklich werden, bleibt abzuwarten. Auf inhaltlicher Ebene hat die Bundesregierung mit dem Schutz geistigen Eigentums (>>> W&E 01/2007) und dem Kampf gegen den sog. Investitionsprotektionismus (Forderung nach Gleichstellung ausländischer mit inländischen Investoren) zwei Themen auf die Agenda gesetzt, bei denen es deutliche Interessengegensätze zwischen Nord und Süd gibt.

24. Januar 2007

Davos: Wachsende Bedeutung der G20 prognostiziert

Mit dem heute beginnenden World Economic Forum (WEF) in Davos und seinem Leitthema "Die Verschiebung des globalen Machtgleichgewichts" werden nicht nur Prominente und Wirtschaftskapitäne in grelles Scheinwerferlicht getaucht, sondern auch so manche "Baustelle der Globalisierung". Zum Auftakt veröffentlichten die Veranstalter einen Report mit dem Titel The International Monetary System, the IMF and the G20: A Great Transformation in the Making?. Der gemeinsam von WEF und vom Reinventing Bretton Woods Committee (RBWC) herausgegebene Band geht auf eine Serie hochkarätiger Seminare in Umfeld der Tagungen der Gruppe der 20 (Finanzminister) in den letzten zwei Jahren zurück. Ein Teil des Reports besteht aus Papieren bekannter Ökonomen, die für diese Seminare vorbereitet wurden.


Eine "kritische Masse" von Regierungen, so eine Schlußfolgerung des Berichts, sei heute der Auffassung, daß die Internationalen Finanzinstitutionen einer veränderten Welt angepaßt werden müßten. Ein wichtiges Indiz der bereits stattfindenden Transformation im internationalen Währungssystem sei die Schaffung der G20 nach der Asienkrise. Deren Bedeutung wachse ständig, nicht zuletzt wegen ihres relativ informellen, aber dennoch repräsentativeren Charakters. Die großen Fragen von heute, wie die anhaltenden globalen Ungleichgewichte, die Akkumulation großer Währungsreserven in Überschußländern, aber auch das Tagesgeschäft des IWF, könnten nicht mehr durch das traditionelle Prisma der G7 gegenüber dem Rest der Welt gesehen werden. Eine "neue Geografie der internationalen Finanzen" entstehe, so der Exekutivdirektor des RBWC, Marc Uzan. -
Die spannenste Frage des Tages ist natürlich, welche Antworten die deutsche Bundeskanzlerin, Angela Merkel, die gegen Abend die Eröffnungsrede hält, auf diese Fragen geben wird, nachdem sie bislang abgelehnt hat, die G8 für diejenigen Länder zu öffnen, mit denen bereits in der G20 auf Augenhöhe verhandelt wird.

23. Januar 2007

G8: Die BRICs immer noch am Katzentisch

Seit die Vordenker von Goldman Sachs vor fünf Jahren die Abkürzung BRIC für die vier aufstrebenden weltwirtschaftlichen Schwergewichte Brasilien, Rußland, Indien und China einführten, habe sich an deren Platz in der Global-Governance-Struktur kaum etwas geändert, beklagt der Leiter der Weltwirtschaftlichen Forschungsabteilung der Investment-Bank, Jim O'Neill in einem Kommentar in der heutigen Ausgabe der Financial Times. Die bisherigen Stimmrechtsreformen im IWF und die sporadischen Einladungen von BRIC-Ländern an den Rand von G7- oder G8-Treffen seien allenfalls bescheidene Veränderungen.


O'Neill verweist auf das wachsende ökonomischen Potential der BRICs und ihren wachsenden Beitrag zur Weltwirtschaft. So habe allein China in den letzten fünf Jahren Italien, Frankreich und Großbritannien überrundet und werde im nächsten oder übernächsten Jahr auch Deutschland an Wirtschaftskraft übertreffen. Es sei deshalb unabdingbar, daß die führenden Politiker des Westen einen energischeren institutionellen Wandel in der Struktur der G7, der G8, des IWF und anderer Global-Governance-Einrichtungen anstoßen. Gerade die deutsche Regierung Merkel, die eine Erweiterung der G8 explizit abgelehnt hat und für den Gipfel in Heiligendamm wieder Katzentischveranstaltungen plant, sollte sich dies ins Stammbuch schreiben. Es sei ein Gebot der Sensibilität, "daß diese Länder zumindest am selben politischen Tisch wie Japan, Kanada und Europa sitzen sollten", schreibt O'Neill.

18. Januar 2007

Das Management der Globalisierung

Das Management der Globalisierung wird zur entscheidenden Frage in der vor uns liegenden Etappe der weltwirtschaftlichen Entwicklung. Zu dieser Schlußfolgerung kommen so unterschiedliche Zeitgenossen wie der Chefökonom der Financial Times, Martin Wolf, die Autoren der jüngsten Global Economic Prospects der Weltbank oder der recht prominente Globalisierungskritiker Walden Bello. Daß die Positionen der letzten beiden Protagonisten gar nicht so weit auseinander liegen, wie gemeinhin angenommen, ist in einem neuen W&E-Hintergrund nachzulesen, der die Frage aufgreift, ob die Globalisierung derzeit auf dem Rückzug ist (Bello) oder wir am Beginn einer neuen Welle der Globalisierung stehen (Weltbank).

Der Unterschied zwischen beiden Positionen erklärt sich zum großen Teil daraus, daß sie mit unterschiedlichen Globalisierungsbegriffen hantieren. Während Bello Globalisierung in eins setzt mit "neoliberaler Globalisierung", meint die Weltbank im wesentlichen den Prozeß der weltwirtschaftlichen Integration, wie er durch Handel, Investitionen und neue Technologien vorangetrieben wird. Doch eine Krise der "neoliberalen Globalisierung" ist durchaus vereinbar mit einer weiteren Zunahme des internationalen Handels und der Direktinvestitionen, wie deren derzeitige Rekordexpansion - trotz der ausgesetzten Doha-Runde und trotz einer gewissen Neubewertung des Entwicklungsbeitrags von Direktinvestitionen - belegt. Und so stellen beide Protagonistischen das Management in den Mittelpunkt, die Weltbank das Management der neuen Welle der Globalisierung und Bello das Management des "Rückzugs der Globalisierung". Doch, so fragt Rainer Falk: "Könnte es nicht sein, daß auf den Rückzug der neoliberalen eine neue Phase der Globalisierung folgt, in der es zunächst um nicht mehr geht als deren gröbste Irrtümer zu korrigieren?"

Weitere Beiträge der Ausgabe beschäftigen sich mit der neuen Wirtschaftsdynamik in Afrika (Roger Peltzer) und mit der Wirtschaftspolitik der neuen Generation linker Politiker in Lateinamerika (Mark Weisbrot).

10. Januar 2007

Neue Klimaziele der EU: Angst vor der eigenen Courage

Die EU-Kommission hat heute Vorschläge für eine Vielzahl von Energie- und Klimaschutzmaßnahmen vorgelegt. Sie setzt sich das Ziel, die Emissionen der EU bis 2020 um mindestens 20% gegenüber 1990 zu reduzieren. Die Kommission hatte jedoch nicht den Mut, ein 30 Prozent-Reduktionsziel und entsprechende Maßnahmen vorzuschlagen. Nur das könnte sie auf einen Pfad bringen, der vereinbar ist mit dem Ziel der Abwendung eines gefährlichen Klimawandels, erklärte die Nord-Süd-Initiative Germanwatch.


Die Kommission ergänzt ihre Verpflichtung, die eigenen Emissionen um mindestens 20% bis 2020 zu reduzieren, um die internationale Verhandlungsposition, daß alle Industrieländer ihre Emissionen bis 2020 um 30% reduzieren sollen. "Damit macht sich die EU vom Tempo anderer abhängig, anstatt durch ein unilaterales 30-%-Ziel als Lokomotive andere mitzuziehen", kritisierte Germanwatch-Geschäftsführer Christoph Bals. "

Die EU-Kommission schlägt zudem vor, daß bindend bis 2020 20% der Primärenergie aus Erneuerbaren Energien kommen sollen. Das sind fünf Prozent weniger, als die deutschen Umweltverbände fordern und für möglich halten. Auch ist enttäuschend, daß die Kommission keine Sektorziele für Erneuerbare Energien im Strom- sowie im Wärmebereich vorgelegt hat, sondern Aktionspläne den Mitgliedsstaaten überläßt. Zudem fehlen dringend notwendige Vorschläge für eine Kraft-Wärme-Kopplungs-Richtlinie sowie eine Richtlinie zu Wärme und Kühlung aus Erneuerbaren Energien.

9. Januar 2007

OECD: Rückläufige Entwicklungshilfe für Afrika

Die Industrieländer bleiben stärker hinter der Erfüllung ihrer Versprechen zurück, als es bisher den Anschein hatte. Nach den neuesten Zahlen der OECD ist die Entwicklungshilfe (ODA) für die meisten Länder von Subsahara-Afrika im Jahre 2005 gesunken. Obwohl die ODA in diesem Jahr weltweit stieg, ging das Gros der Mehrleistungen an Afghanistan und den Irak. Wenn man Nigeria, das 2005 einen außerordentlich hohen Schuldenerlaß erhielt, herausrechnet, fiel die ODA für Subsahara-Afrika 2005 um 2,1% auf 24,9 Mrd. US-Dollar.

Der Rückgang ist ausgerechnet in dem Jahr zu verzeichnen, in dem die G8 in Gleneagles eine Verdoppelung der Hilfe bis 2010 versprachen, wobei die Hälfte der Steigerung um 50 Mrd. Dollar nach Afrika gehen sollte. Aus den neuesten Zahlen schlußfolgert der Vorsitzende des OECD-Entwicklungshilfeausschusses (DAC), Richard Manning, daß "die Geber entscheidende Erhöhungen ihrer zentralen Entwicklungsprogramme für Afrika vornehmen müssen, wenn sie dieses Ziel erreichen wollen".

Skeptisch in Bezug auf die G8-Versprechungen in Sachen Entwicklungshilfe ist auch Simon Maxwell, der Direktor des britischen Overseas Development Institute (ODI). Besonders für die deutsche und die italienische Regierung werde es peinlich werden, wenn sich auf dem Gipfel in Heiligendamm herausstelle, wie stark die beiden Länder hinter ihren eigenen Verpflichtungen hinterher hinken, schrieb Maxwell in einem Kommentar zur Jahreswende. - In der Tat läßt die deutsche G8-Agenda (trotz ihres Afrika-Schwerpunkts) bislang nicht erkennen, wie derlei Peinlichkeiten vermieden werden sollen.