28. Juni 2019

G20 im Schatten bilateraler Kulissentreffen

Dies ist jetzt bereits der zweite G20-Gipfel innerhalb von sieben Monaten, der von einem Treffen des US-Präsidenten Trump und des chinesischen Präsidenten Xi überschattet wird. Die G20 nennen sich in ihren Kommuniqués gerne das „erste Forum der weltwirtschaftlichen Koordinierung“. Doch wenn sich die wichtigsten Entscheidungen in separaten bilateralen Treffen abspielen (wie die Zukunft des Handelskriegs der USA gegen China) ist dies kein gutes Zeichen für ein multilaterales Forum, das einst gegründet wurde, um die globale wirtschaftspolitische Kooperation zu verbessern. Dabei ist die Liste der unerledigten Aufgaben der G20 lang.


Am weitreichendsten waren noch die Beschlüsse zum Thema „Finanzmarktreformen“, ausgehend von dem Gipfel in London vor zehn Jahren, wenngleich auch diese Agenda eine weitgehend unvollendete blieb und entsprechende Maßnahmen – von einer kosmetischen Reform der Governance-Strukturen der Bretton-Woods-Institutionen IWF und Weltbank abgesehen – von der Umsetzung in den jeweiligen Mitgliedsländern abhängig blieben bzw. derzeit bereits wieder zurück gerollt werden. Ein Beispiel ist der Versuch der Reregulierung der Finanzmärkte (z.B. durch eine Aufwertung des bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) angesiedelten Rats für Finanzstabilität, die Verschärfung der Pflichten der Banken zur Rücklagen- und Pufferbildung im Rahmen von Basel III oder die Wiedereinführung des Trennbankensystems in den USA). Ungelöst ist bis heute das sog. Too-big-to-fail-Problem, wonach „systemrelevante“ Banken nicht pleitegehen dürfen, oder die Regulierung des Bereichs der „Schattenbanken“, wo Finanzfirmen praktisch ohne staatliche Kontrolle agieren können. Insgesamt übersteigt das Volumen der Finanzgeschäfte inzwischen wieder die Größenordnung von vor der Finanzkrise, während auch der Handel mit gefährlichen und synthetischen Finanzprodukten, die teilweise für den Ausbruch der Krise verantwortlich waren, auf beängstigende Weise wächst.

Im Nachgang der globalen Finanzkrise haben die G20 auch das ehrgeizige Versprechen abgegeben, eine Beschädigung des Welthandels zu verhindern und sich vor allem protektionistischer Praktiken zu enthalten. Dies hat eine Zeitlang funktioniert, allerdings nur so lange, wie alle Beteiligten den Willen und die Bereitschaft zur Einhaltung multilateraler Regeln aufbrachten. Dieses „Stillhalten“ ist mit dem Amtsantritt der Trump-Administration in den USA („America First“) jäh beendet worden. Seither treten auch in der G20 immer mehr Handelskriege an die Stelle des Bemühens um Stabilisierung und Kooperation. Wie das „Waffenstillstandstreffen“ zwischen Trump und Xi am Rande des G20-Gipfels von Buenos Aires Ende 2018 zeigte, stellen die G20 möglicherweise nur noch ein Forum für fragwürdige Interimslösungen dar, die hernach um eine nur noch gefährlichere Eskalation des Handelskriegs abgelöst werden. Dies verweist vielleicht am deutlichsten auf die Grenzen eines lediglich informellen Multilateralismus und seine Gefährdung durch die Rückkehr zu rein geoökonomischer Machtpolitik.

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