5. Dezember 2017

Argentinien: Der Neoliberalismus an der Spitze der G20

Argentiniens Präsident Mauricio Macri, der zum 1. Dezember die G20-Präsidentschaft von Deutschland übernahm, gilt als eingefleischter Neoliberaler. Wie die von ihm vorgestellte Agenda und die darin verankerten Prioritäten für das kommende Jahr jedoch wieder einmal zeigen, schmücken sich auch gerne eingefleischte Neoliberale mit wohlklingender Nachhaltigkeitsprosa. Als Motto ihrer G20-Präsidentschaft hat sich die argentinische Regierung „Konsensbildung für gerechte und nachhaltige Entwicklung“ auserkoren. Das kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Agenda-Prioritäten recht nahtlos zu der gegenwärtig über das Land rollenden Welle neoliberaler Reformen (von einer Steuer- und Rentenreform bis zu einer höchstumstrittenen Arbeitsmarktreform) passen, die gemeinhin als tiefgreifendste wirtschaftspolitische Systemveränderung in der jüngeren Geschichte Argentiniens gelten.

Die drei Prioritäten der argentinischen Agenda (Zukunft der Arbeit, Infrastruktur für Entwicklung und Ernährungssicherheit für eine nachhaltige Zukunft) stehen teilweise in der Kontinuität der jüngerer G20-Agenden, bewegen sich aber insgesamt noch weiter weg von den eigentlichen Kernaufgaben, wie der wirksamen Reregulierung der Finanzmärkte, die an entscheidenden Stellen immer noch unvollendet ist. In der argentinischen G20-Agenda kommt sie jedoch kaum noch vor. Stattdessen wird an erster Stelle die Anpassung des Bildungsniveaus an die technologischen Veränderungen propagiert: „Wir müssen sicherstellen, dass jede neue Welle technologischer Veränderungen so inklusiv wie möglich ist, und dies erfordert beträchtliche Investitionen in Ausbildung, so dass die Bürger die Fähigkeiten bekommen, die sie für Arbeit und Leben brauchen“, so Macri beim Start der G20-Präsidentschaft. Was jedoch wie ein harmloses Weiterbildungsprogramm klingt, ist das Komplement für die Deregulierung und Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, die derzeit die argentinische Gesellschaft zerreißen.

Die stärkste Kontinuität zu den vorhergehenden G20-Präsidentschaften weist sicherlich der zweite Schwerpunkt der argentinischen Agenda auf, die Infrastrukturentwicklung. Doch hier wird eine Tendenz noch stärker vorangetrieben, die Infrastrukturinvestitionen nicht einfach nur als Instrument für Wachstum und Produktivität sieht, sondern als Weg zu noch größerer „Partizipation des privaten Sektors“. Als besonderen Clou hat Argentinien hier die Entwicklung einer Anlageklasse für Infrastrukturinvestitionen angekündigt, die diese attraktiv für Großinvestoren machen soll. 

Und auch für den dritten Schwerpunkt, die Ernährungssicherung, sollen die G20 die „Grundarbeit für mehr öffentlich-private Partnerschaften“ leisten. Unter den argentinischen Verhältnissen des Großgrundbesitzes und der Agroindustrie kann dies nur heißen: noch engere Einbeziehung von multinationalen Agro-Konzernen in die Produktion von Nahrungsmitteln und den Handel damit. – Insgesamt gesehen verspricht sich die argentinische Regierung von ihrer G20-Präsidentschaft also vor allem die eigene Profilierung und die internationale Beförderung ihrer eigenen Politik und Interessen. Dies ist an und für sich kein Novum, aber neu ist schon, mit welcher Chuzpe eine Regierung, die eben erst vor den Geierfonds (mit den hässlichsten Ausgeburten des internationalen Finanzkapitalismus >>> Argentinien: Sieg der Geier?) kapituliert hat, sich anschickt, das internationale Renommee aufzupolieren.

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