Schaeubles Bande: Die G20 in der internationalen Steuerpolitik
Gastblog von
Sven Giegold*)
Über viele Jahrzehnte schien es, als sei gegen internationale Finanzkriminalität und Steuerdumping kein Kraut gewachsen. In den letzten Jahren ist endlich Bewegung in den Kampf gegen Steuerflucht und Steuerdumping gekommen. Daran hat die G20 einen großen Anteil.
Über viele Jahrzehnte schien es, als sei gegen internationale Finanzkriminalität und Steuerdumping kein Kraut gewachsen. In den letzten Jahren ist endlich Bewegung in den Kampf gegen Steuerflucht und Steuerdumping gekommen. Daran hat die G20 einen großen Anteil.
Trotz aller Konferenzen und Skandale
wurden die globalen Steuersümpfe seit den 1980er Jahren immer tiefer. Erst mit
der Finanzkrise ab 2007/2008
änderte sich die Lage. Auf globaler Ebene entstand mit der G20 ein neues Forum
der internationalen Zusammenarbeit in der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Um
das globale Finanzsystem zu stabilisieren, mussten die Steuerzahler dieser
Staaten gigantische Summen mobilisieren. Schon in den ersten Erklärungen der G20
zur Finanzkrise fand sich das Thema „Steueroasen“ prominent. Denn die G20 hatte
im Vergleich zur EU und auch den Vereinten Nationen einen entscheidenden
Vorteil: Klassische Steueroasen spielten hier keine Rolle, denn sie sind zu
klein, um in die G20 aufgenommen zu werden. Großbritannien und die USA
unterhalten und fördern zwar in vielfacher Weise internationale Steuersümpfe.
Aber die Akzeptanz des faktischen steuerlichen Sonderrechts für internationale
Großunternehmen und Vermögende war durch die Finanzkrise in der eigenen
Bevölkerung erschüttert. So wurde die G20 zum entscheidenden Ort des
internationalen Kampfes gegen Steuerflucht, Steueroasen und Steuerdumping von
Großunternehmen.
Die Agenda der entscheidenden G20-Gipfel
der Staatschefs und Finanzminister wurde dabei durch immer neue Skandale stark
beeinflusst: Offshore Leaks, LuxLeaks, Panama Leaks. All diese von
international vernetzten Journalisten mit Hilfe von Whistleblowern aufgedeckten
Steuerskandale sorgten für Rückenwind. Konkret gelangen dabei zwei zentrale
Fortschritte, die noch vor wenigen Jahren als komplett utopisch gegolten
hätten:
● Grenzüberschreitende Kapitaleinkommen von Privatpersonen werden
automatisch den Steuerbehörden der Wohnsitzländer gemeldet. Länder, die sich
dabei nicht beteiligen, werden perspektivisch als unkooperative Steueroasen
sanktioniert.
● Staaten müssen sich bei ihren steuerlichen Regelungen für
Unternehmen am BEPS-Plan („Base erosion and profit shifting“) ausrichten.
Dieser Plan verbietet die aggressivsten Steuerdumping-Angebote der Staaten und
macht sie für die Steuerbehörden transparenter.
Die G20 bedient sich für die Aushandlung
der Details regelmäßig der Ressourcen der OECD, die faktisch Arbeitsaufträge
der G20 erhält, auch wenn die Mitgliedschaft in beiden Institutionen nicht
identisch ist. Die EU hat die global ausgehandelten Maßnahmen inzwischen in
europäisches Recht übersetzt, das nun nach und nach in Kraft tritt. Dabei hat
die EU im Wesentlichen nur nachvollzogen, was global schon durchgesetzt war.
Die G20 war in Sachen Steuerpolitik ein Spiel über Bande. Gerade
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble nutzte den Kreis der G20 mit mehreren
Verbündeten als Bande, um durchzusetzen, was in Europa alleine nie gelungen
wäre. Eine wirkliche Konsequenz aus der eigenständigen steuerpolitischen
Handlungsunfähigkeit Europas steht dagegen bis heute aus. An der Einstimmigkeit
in Steuerfragen im Rat der Mitgliedsländer wird ebenso wenig gerüttelt, wie an
der Intransparenz der Entscheidungsfindung.
Die in der G20 beschlossenen Maßnahmen
reichen jedoch nicht aus, um die Steuersümpfe tatsächlich trocken zu legen.
Mehrere Großbaustellen verbleiben sowohl international als auch in Europa:
1. Gemeinsame
Bemessungsgrundlage und Gesamtkonzernsteuer statt komplexer Sonderregeln
Der BEPS-Plan ist nur ein erster Schritt
auf einem langen Weg gegen globales Steuerdumping von Konzernen. Das ohnehin
schon komplexe internationale Steuersystem wird durch die zahlreichen neuen
BEPS-Regeln noch komplizierter. Die Wurzel des Steuerdumpingübels wird nicht
gezogen: Weiterhin werden Großkonzerne steuerlich nicht als Einheit behandelt,
sondern als bestünden sie aus Hunderten von unabhängigen Firmen. Zu einer
gleichmäßigen und bürokratiearmen Besteuerung kommen wir letztlich nur über
eine Gesamtkonzernbesteuerung, die den Gewinn eines Unternehmens den Staaten
nach einer Formel über gemeinsame Regeln zur Besteuerung zuweist.
2. Mindeststeuersätze
Je mehr Möglichkeiten des Steuerdumpings
über die Bemessungsgrundlage eingeschränkt werden, desto härter wird der
Wettbewerb um die Steuersätze. Schon heute sehen wir die Tendenz, mobiles
Kapital gar nicht mehr zu besteuern. In den Sonderwirtschaftszonen und
Steueroasen der Welt geht der Trend eindeutig in Richtung Nullbesteuerung von
Gewinnen und Kapitaleinkommen. Dabei wird die Nullbesteuerung Inländern und
Ausländern gleichermaßen eröffnet, um die internationalen Regeln gegen unfairen
Steuerwettbewerb zu umgehen. Dem muss mit Mindeststeuersätzen begegnet werden,
die in reichen Ländern höher und in ärmeren Ländern niedriger sein können. Hier
ist bisher nichts geschehen.
3. Finanzkriminalität und
Geldwäsche
Während es beim Kampf gegen
Steuerdumping und Steuerflucht Fortschritte gab, offenbarten die Panama Papers
der Weltöffentlichkeit eine Parallelwelt kriminellen Geldes. Das Schwarzgeld
aus Korruption, Waffenhandel, Drogen, Menschenhandel usw. wird auf 5% der
globalen Wirtschaftsleistung geschätzt. Gegen die Strukturen der
Finanzkriminalität aus Briefkastenfirmen und Verschleierung der
Besitzverhältnisse wurde bisher wenig unternommen. Die globalen Institutionen
gegen Geldwäsche wie die FATF sind bisher wenig wirksame zahnlose Tiger. Auf
der Agenda der G20 spielte das Thema nur eine untergeordnete Rolle. Genauso
wurde zur Bekämpfung der Finanzkriminalität in der Finanzbranche im Rahmen der G20
und des Financial Stability Boards vergleichsweise wenig unternommen. Die
Bekämpfung von Wirtschafts- und Finanzkriminalität und der Geldwäsche ist daher
eine wichtige Zukunftsaufgabe internationaler Zusammenarbeit.
Die G20 hat in den letzten Jahren
bewiesen, welches Potential in der internationalen Zusammenarbeit steckt. Ob
die Fortschritte sich so fortsetzen lassen, steht in den Sternen. Denn in den
Vereinigten Staaten scheint die neue Trump-Administration von globalen Regeln weniger
zu halten. Gleichzeitig kann kein Staat der globalisierten Finanzkriminalität
Einhalt gebieten. Das können die Länder nur gemeinsam, wenn die Welt offenbleiben
soll. Daher ist umso wichtiger, dass Europa selbst voran geht. Große
Fortschritte in der Steuerpolitik in der EU wird es dabei nur geben, wenn die
geschädigten Staaten mehr Konfliktbereitschaft zeigen. Wo es nicht anders geht,
kann auch eine kleinere Gruppe von Staaten im Rahmen der verstärkten
Zusammenarbeit die Steuerkooperation vorantreiben.
Gleichzeitig sind große Fortschritte
gegen Finanzkriminalität in Europa möglich, wenn sie über ein anderes
Bandenspiel erfolgen: Europäische Gesetze gegen Geldwäsche und für
Unternehmenstransparenz werden im Mehrheitsverfahren entschieden. Es wäre ein
Leichtes, alle Großunternehmen zu verpflichten, jährlich zu veröffentlichen, in
welchem Land sie wie viel an Gewinnen erwirtschaften und wie viel an Steuern
bezahlen. Steuertransparenz hilft Investoren und der Öffentlichkeit. Bisher ist
solche länderbezogene Steuerberichterstattung in der G20 und in Europa nur
zwischen Steuerbehörden vereinbart. Die kritische Öffentlichkeit bleibt außen
vor. Fatalerweise ist die deutsche Bundesregierung mit Finanzminister Schäuble
an der Spitze der entscheidende Gegner von Steuertransparenz. Die gleiche
Blockade betreibt Schäuble bei Unternehmensregistern, die die wirtschaftlich
Berechtigten von Briefkastenfirmen zur Bekämpfung der Geldwäsche transparent
machen. Das ist fatal, denn nur was in Europa auf den Weg gebracht wird, kann
man glaubhaft von anderen Staaten verlangen. Auf der Basis eigener
Handlungsfähigkeit zur demokratischen Kontrolle der sich globalisierenden
Wirtschaft muss Europa sich international Partner suchen.
Natürlich sind die Legitimationsprobleme
eines „Clubs der 20“ nicht gelöst. Letztlich wäre natürlich besser, dass die
entschlossenen Staaten noch weitergehen und über eine
internationale Konvention im Rahmen der UN eine globale Steuerbehörde auf den
Weg bringen. Sie sollte Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern
gleichermaßen offenstehen. Doch um weitere Fortschritte zu erreichen, hat sich
die G20 in Sachen Steuerkooperation und Regulierung der Finanzmärkte in letzten
Jahren als Teil der Lösung erwiesen. Ungelöst ist bisher die ungenügende
parlamentarische und öffentliche Kontrolle der G20. Damit die G20 nicht zu
einem von demokratischer Rechenschaftspflicht beruhigten Raum wird, müssen die
Verhandlungsprozesse in der G20 transparenter werden. Die Verhandler/innen aus
Regierungen und EU müssen mit Mandaten aus den Parlamenten ausgestattet werden.
Denn nur eine globale Zusammenarbeit, die letztlich auch demokratisch ist, wird
auf Dauer effizient und legitim sein. Die Weiterentwicklung der G20 ist daher
nur ein Schritt auf dem langen Weg zu einer globalen Demokratie.
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