Gipfelergebnisse: Neue Akzente im G20-Kommunique
Während die G20 nach eigenem Selbstverständnis „das erste Forum unserer
internationalen wirtschaftlichen Koordinierung“ sein will, nutzen die Staats- und
Regierungschefs die Gipfel mehr und mehr für eine politische Rendez-vous-Aktivität
außerhalb der offiziellen Agenda. Dies war auch in Hangzhou deutlich, wenngleich
die Inhalte der bilateralen politischen Treffen nur teilweise an die Öffentlichkeit
gelangten. Obama und Putin erörterten ihre Syrienpolitik, Merkel und Erdogan
ihren Flüchtlingsdeal, Chinas Xi und Südkoreas Park Geun-hye die Nordkoreafrage
usw. Zumindest in der öffentlichen Darstellung kann derlei politische Krisendiplomatie
die ökonomischen Kernaufgaben der G20 durchaus in den Hintergrund drängen.
Bundeskanzlerin Merkel schoss den Vogel ab, indem sie aus Hengzhou zum Ausgang
der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern Stellung nahm – was nun wirklich mit
der G20-Agenda nichts zu tun hat.
Immerhin konzentriert sich das achtseitige G20 Leader’s Communiqué auf die
wirtschaftlichen Fragen, und dies in einer Art, die – über die allgemeine
Kritik, dass an vielen Stellen konkrete Schritte fehlen, hinaus – durchaus
Anlass zu einer vertieften Analyse in der nächsten Zeit sein sollte. Einerseits
wiederholt das Kommuniqué altbekannte Formelkompromisse, etwa das „alle
Politikinstrumente – geld-, fiskal- und strukturpolitische – individuell und
kollektiv“ genutzt werden sollen, um das weltwirtschaftliche Wachstum
anzukurbeln. Andererseits ist die chinesische Handschrift unverkennbar: Die Orientierung
auf eine „innovative, starke, integrierte und inklusive Weltwirtschaft“ ist
ebenso wie das darin enthaltene neue (nachhaltige, ausgewogene und inklusive) Wachstumskonzept
deutlich verbunden mit dem Bekenntnis zur 2050-Agenda für Nachhaltige
Entwicklung, der Addis-Abeba-Aktionsagenda und dem Pariser Klimaabkommen.
Schon die Gliederung des Dokuments folgt der von Peking
vorgegebenen G20-Gipfelagenda (s. dazu auch >>> G20 unter chinesischer Präsidentschaft): Nach einem
Abschnitt über die Stärkung der Politikkoordination kommt ein Kapitel über die „Öffnung
eines neuen Wachstumspfads“. Dem folgen Abschnitte über „effektivere und
effizientere globale wirtschaftliche und finanzielle Governance“, ein Abschnitt
über „robusten internationalen Handel und Investitionen“ und schließlich ein
Kapitel über „inklusive und integrierte Entwicklung“. Auf einigen Gebieten
bietet das Kommuniqué wenig neues (etwa bei der Politikkoordination und der
internationalen Finanzarchitektur), auf anderen werden neue Initiativen
benannt, deren Entwicklung und Ausfüllung in der Zukunft genau beobachtet
werden sollte. So ist etwa von einem „G20-Blueprint für innovatives Wachstum“
die Rede, eine neue G20-Taskforce soll die G20-Agenda zu Innovation, „Neuer
Industrieller Revolution“ und digitaler Ökonomie vorantreiben. Es soll einen „Aktionsplan
für die Neue Industrielle Revolution“ geben usw. Neu wurde unter chinesischer
Präsidentschaft eine Arbeitsgruppe für Handel und Investitionen aufs Gleis
gesetzt und erstmals ein G20-Mechanismus zu „Green Finance“ errichtet. Nicht
nur entwicklungspolitisch von Belang ist, dass es jetzt einen G20-Aktionsplan
zur 2030-Agenda gibt und eine G20-Initiative zur Unterstützung der
Industrialisierung in Afrika und den am wenigsten entwickelten Ländern (LDCs)
aus der Taufe gehoben wurde.
Sicher nimmt in diesem Konvolut von Initiativen und Plänen
das Wachstum eine zentrale Stellung ein. Doch es ist nicht so, dass die G20
unter chinesischer Präsidentschaft einfach auf ein wachstumspolitisches Weiter
so geschielt haben. Es ist vielmehr tatsächlich – zunächst und zumindest auf
der Diskursebene – ein neues Wachstumskonzept, dessen zentrales Anliegen das
Aufspüren neuer Wachstumstriebkräfte ist. Diese werden vor allem in einem neuen
Innovationsschub der Weltwirtschaft gesehen. Gleichzeitig heißt es gleich zu
Beginn des Entwicklungskapitels: „Damit unser Wachstum stark, nachhaltig und
ausgeglichen ist, muss es auch inklusiv sein. Wir sind entschlossen
sicherzustellen, dass die Vorteile unseres Wachstums alle Menschen erreichen
und das Wachstumspotential aller Entwicklungs- und Niedrigeinkommensländer
maximieren. In diesem Zusammenhang steht Nachhaltige Entwicklung hoch auf der
G20-Agenda.“
Man wird sehen müssen, wie hoch der rhetorische Anteil an
derlei Formulierungen ist. Eine Reihe neuer Anstöße hat der G20-Gipfel von
Hangzhou jedenfalls gebracht. Es wird nicht zuletzt darauf ankommen, was die am
1. Dezember beginnende deutsche G20-Präsidentschaft daraus macht.
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