In Nairobi nur Minimalismus und Symbolismus
Von Tobias Reichert*) – Vor
dem Hintergrund der ungelösten Frage nach der Zukunft der Doha-Runde insgesamt
versuchen die WTO-Mitgliedsstaaten in Nairobi den Ansatz der letzten Konferenz
in Bali zu wiederholen. Zu Einzelthemen der Doha-Agenda sollen separate
Übereinkommen getroffen werden, die dann unabhängig vom Gesamtergebnis in Kraft
treten können.
● Exportwettbewerb: Der
wichtigste Themenbereich, zu dem eine Einigung möglich scheint, ist der
Exportwettbewerb bei landwirtschaftlichen Gütern. Anders als noch in Bali ist
die EU nun bereit, Exportsubventionen endgültig abzuschaffen, und hat sogar den
seit gestern in Nairobi zirkulierenden Textentwurf maßgeblich mit vorbereitet. Das
fällt ihr leicht, da die EU schon seit einigen Jahren keine Exportsubventionen
mehr gewährt. Vor 30 Jahren wäre dieser Beschluss ein entwicklungspolitischer
Meilenstein gewesen, nun verhindert er nur noch den Rückfall in alte Fehler.
Wird
der Text verabschiedet, müssen alle Industriestaaten direkte Exportsubventionen
bis 2020 abschaffen, Entwicklungsländer (die sie ohnehin nicht nutzen) bis 2023.
Eine spezielle Ausnahme für Entwicklungsländer, die es ihnen erlaubt, die
inländischen Transportkosten von Exportgütern zu subventionieren, soll sogar
noch bis 2028 gelten. Die entwicklungspolitische Sinnhaftigkeit dieser Regel ist
durchaus fragwürdig, eine Verkürzung der Frist wäre gegen den Widerstand großer
Entwicklungsländer aber kaum durchzusetzen.
Noch
hartleibiger zeigen sich die USA bei den Instrumenten zur Exportförderung, die
sie einsetzen: staatlich gestützte Exportkredite und Nahrungsmittelhilfe. Um
eine indirekte Subventionierung durch künstlich verbilligte Kredite zu
verhindern, waren im letzten Vertragsentwurf aus den Doha-Verhandlungen strikte
Kriterien für die Exportkreditprogramme definiert worden. So müssten diese sich
selbst finanzieren, also Verluste innerhalb von vier Jahren durch eigene
Einnahmen statt staatliche Zuschüsse ausgleichen. Zudem hätten Kredite nur für
eine Laufzeit von 6 Monaten vergeben werden dürfen. Die USA hatten klargemacht,
dass sie dem auf keinen Fall zustimmen würden. Der Vertragsentwurf sieht nun
vor, dass Exportkredite bis zu 18 Monate laufen dürfen und sich nur
"langfristig" selbst finanzieren müssen. Dass dies exakt den
Bedingungen des aktuellen Exportkreditprogramms der USA entspricht, ist kein
Zufall.
Auch
bei der Nahrungsmittelhilfe bewegen sich die USA nicht: Sie bestehen darauf,
diese auch weiterhin vor allem in Form von Naturalien statt Geld zu gewähren.
Zudem sollen die als Hilfe gewährten Nahrungsmittel weiter in den Empfängerländern
verkauft werden dürfen. Um dabei oft auftretende negative Effekte auf lokale
Bauern und regionale Märkte zu vermeiden, sieht der Verhandlungstext vor, dass
vorab eine Folgenabschätzung für die lokalen Märkte vorgenommen werden muss.
Zudem sollen die Regierungen der Empfängerländer eine Art Vetorecht erhalten. Ob die USA dem zustimmen werden, ist ungewiss.
Das
mögliche Abkommen würde also im Kern nur die derzeitige Praxis der
Industriestaaten festschreiben. Gleichwohl wäre das nicht sinnlos, da die EU nach
bisherigem Stand das Recht hat, Exportsubventionen in Höhe von 6 Mrd. € zu
zahlen und für Exportkredite und Nahrungsmittelhilfe praktisch gar keine Regeln
bestehen.
● Baumwolle: Seit
2005 versprechen die WTO-Mitglieder den baumwollexportierenden Entwicklungsländern
immer wieder, nicht nur Exportsubventionen, sondern auch handelsverzerrende
interne Subventionen für Baumwolle ganz oder weitgehend abzuschaffen. Damit
soll die unfaire Konkurrenz auf dem Weltmarkt verringert werden. Obwohl die
Beschlüsse vorsehen, dies besonders eilig, vordringlich und unverzüglich zu tun,
haben vor allem die USA als wichtiger Baumwollexporteur ihre Politik kaum
verändert. Auch in Nairobi wird es keine greifbaren Fortschritte geben –
mögliche Ausnahme sind die Exportsubventionen, die Industrieländer laut Entwurf
sofort und Entwicklungsländer 2017 einstellen müssen. Da derzeit de-facto keine
Exportsubventionen gezahlt werden, ist auch dieser Beschluss vor allem
symbolisch.
● LDCs: Auch die
Entscheidungen, die speziell den am wenigsten entwickelten Ländern (LDCs) zu
Gute kommen sollen, sind letztlich unverbindlich. Ein neues Papier, mit dem die
Ursprungsregeln vereinfacht werden sollen, mit denen die importierenden
Industriestaaten die Voraussetzung dafür definieren, dass Güter aus LDCs
besseren Marktzugang bekommen, wirkt stellenweise wie Realsatire.
So
sollen Länder, die die Wertschöpfung zum Kriterium machen, den Wert
importierter Vorprodukte als Grundlage nehmen. Dies klingt verbindlich, wird
aber durch den nächsten Satz ausgehebelt, dass Länder, die das jetzt anders machen,
das auch in Zukunft tun können. Länder, die verlangen, dass ein Produkt so
weiterverarbeitet wird, dass es in eine andere Zollkategorie fällt, sollen dazu
keine zusätzlichen Beschränkungen und Ausnahmen einführen – außer wenn sie dies
für notwendig erachten... In den übrigen Artikeln des Entwurfs wimmelt es von
Begriffen wie "sollte", "in Betracht ziehen" und ähnlichem.
● Fischereisubventionen: Zu
Beginn der Ministerkonferenz haben die AKP-Staaten und Peru gefordert,
verbindliche Grenzen für Fischereisubventionen festzulegen. Ein Beschluss dazu
ist unwahrscheinlich – ein Auftrag, bis zur nächsten Ministerkonferenz ein
Abkommen zu verhandeln dagegen eher.
● Spezieller Schutzmechanismus
für Kleinbauern: Die Forderung Indiens und 47 weiterer
Entwicklungsländer mit überwiegend kleinbäuerlicher Landwirtschaft (G33), einen
speziellen Schutzmechanismus gegen plötzliche Importanstiege einzuführen, ist
in Nairobi kaum durchsetzbar. Zwar unterstützen wichtige Agrarexporteure wie
Brasilien diese Position – allerdings im Kontext einer umfassenden Zollsenkung
für Agrargüter. Da diese in Nairobi nicht zur Diskussion steht, hat die G33
nicht genügend Verbündete für ihre Forderung.
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